Knittelverse

[514] Knittelverse oder Knüttelverse, wörtlich soviel wie ungehobelte, knüppelige, knotterige Verse, war ursprünglich der Name der versus leonini des Mittelalters, in sich gereimter lateinischer Hexameter; später und jetzt stets bezeichnet man damit die Reimpaare, die sich seit dem 14. und 15. Jahrhundert aus den streng rhythmisch gebauten Reimpaaren der höfischen epischen und Spruchpoesie fortbildeten, indem man, besonders in der ersten Hälfte des Verses, sich mit der richtigen Silbenzahl begnügte, während der Schluss doch meist jambischen Rhythmus bekundete. Der Knittelvers ist der typische Vers der volksmässig-bürgerlichen epischen und Spruchdichtung des 14.–16. Jahrhunderts bis auf Opitz und trägt durchaus das Gepräge jener wildlaufenden Zeit an sich. Nachdem der Geschmack der schlesischen Dichterschule ihn als ungehobelt und hässlich beiseite geworfen hatte, ging Goethe in den Dichtungen der Sturm- und Drangperiode, namentlich in Faust, dem ewigen Juden, den Puppenspielen und in Hans Sachsens poetischer Sendung wieder mit Vorliebe auf ihn zurück. Siehe Grimms Wörterb. unter Knüttelvers.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 514.
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