Landfrieden

[564] Landfrieden heissen im Mittelalter die von dem Könige ausgehenden Gesetze, welche die Erhaltung des öffentlichen Rechtszustandes, insbesondere der öffentlichen Sicherheit und die Bestrafung der hiergegen begangenen Verbrechen zum Gegenstande hatten. Sie beschränkten sich regelmässig auf eine kurze Bezeichnung der als Landfriedensbruch zu betrachtenden Handlungen[564] und auf die Einschärfung der Verfolgung und Bestrafung der Landfriedensbrecher. Die ältesten Verordnungen dieser Art scheinen nicht auf uns gekommen zu sein; als die erste bestimmte Nachricht über einen Landfrieden gilt die, dass Heinrich II. auf einer Versammlung zu Zürich Hohe und Niedrige habe schwören lassen, den Frieden zu bewahren und sich aller Räubereien zu enthalten. Von da an ist stehend von Landfriedensverordnungen die Rede. Als die wichtigsten Landfrieden aus dem 12. und 13. Jahrhundert werden genannt die Landfrieden Friedrichs I. vom Jahre 1156 und 1187, und der Landfrieden Friedrichs II. von 1235, welche den Landfrieden der folgenden Kaiser hauptsächlich zum Vorbilde dienten. Die ältesten Landfrieden anerkennen unbedingt das Recht der Privatrache oder Fehde (siehe Faust- und Fehderecht) und machen es sogar dem Volke in der Nachbarschaft und wo dieses nicht ausreicht, dem Herzog oder Grafen zur Pflicht, dem Vergewaltigten hierzu ihre kräftigste Unterstützung zu leisten. Daher kam es, dass die Landfrieden gleichsam als vertragsmässige Friedensvereinigungen errichtet wurden, die nur für eine Reihe von Jahren und regelmässig nur in einzelnen Ländern, selten im gesamten Reiche beschworen wurden; denn es handelte sich dabei nicht allein um die Verpflichtung zum Unterhalte landfriedensverbrecherischer Handlungen, sondern auch um das Eingehen einer positiven Verbindlichkeit zu gemeinsamem Handeln gegen die Friedebrecher, sowie um ein wenigstens teilweises Aufgeben des bisher gesetzlichen Rechtes der Fehde. Erst Maximilian I. gelang es auf dem Reichstage zu Worms 1495, die Reichsstände zum Verzicht auf den ferneren Gebrauch der Waffen zur Entscheidung ihrer Streitigkeiten zu bewegen und einen allgemeinen ewigen Landfrieden zu errichten, in welchem alle Unterscheidung zwischen erlaubter und unerlaubter Fehde und aller fernerer Gebrauch des Faustrechtes als Landfriedensbruch erklärt wurde; derselbe wurde zu Worms 1521 und später noch mehrmals verbessert, ergänzt und bestätigt. Vgl. Herzberg-Fränkel, die ältesten Land- und Gottesfrieden in Deutschland. Forschungen z.d. Geschichte. XXIII, S. 117–164.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 564-565.
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