Liten

[590] Liten heissen im früheren Mittelalter diejenigen, welche von Person frei, doch keinen freien, sondern bloss abgeleiteten Grundbesitzhaben; sie besitzen deshalb auch nicht volle politische Rechte und ebensowenig das Recht der Eheschliessung zu vollem Rechte mit der Tochter eines Freien. Sie bildeten schon zu Tacitus' Zeit einen besonderen Stand, der wahrscheinlich aus der Freilassung von Knechten herrührte und sich durch neue Freilassungen noch lange erneuerte. Man nannte sie auch aldiones, später Halbfreie oder Hörige. Ihr Wergeld war meist die Hälfte des Wergeldes für einen Freien. Sie standen wie die Freien unter Volksrecht, konnten eigenes Vermögen haben, waren aber meist wie die Unfreien auf Nebenhöfe gesetzt, von denen sie Abgaben und Dienste entrichteten. Bald bildete[590] sich bei ihnen ein festes Hofrecht und Erblichkeit des Besitzes aus; doch konnten sie vom Hofe rechtsgültig nichts veräussern. Auch mit den Unfreien war ihnen die Ehe nicht gestattet. Doch zogen sie mit in den Krieg. Mit der Zeit vermischte sich der rechtliche Unterschied zwischen diesen Halbfreien, den Unfreien und den blossen Zinsleuten, und die allen diesen Klassen gemeinsame Bedeutung des bäuerlichen Berufes, des Lebens auf dem Lande, der Nichtadeligkeit, trat als neues Bindemittel in den Vordergrund.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 590-591.
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