Anténor

[275] ANTÉNOR, ŏris, Gr. Ἀντήνωρ, ορος, ( Tab. XXXI.) des Aesyetes und der Kleomestra Sohn, Dictys Cret. lib. IV. c. 22. & ad eum Anna Fabra l. c. wurde it von dem Priamus als Gesandter nach Griechenland geschicket, die Hesione wieder zu fordern. Weil er aber überall schlecht abgewiesen wurde, so rieth er hernach selbst, die Griechen mit Kriege [275] anzugreifen. Dares Phryg. c. 4. Jedoch, als hernachmals Paris die Helena entführet hatte, und die Griechen den Ulysses und Menelaus auch als Gesandten an den Priamus abfertigten, Homer. Iliad. Γ. v. 205. so nahm er sie nicht nur in seinem Hause auf, Dictys Cret. lib. I. c. 6. sondern leistete ihnen auch, da Paris mit seinem Anhange sie lieber aus dem Wege geräumet hätte, in so fern Schutz, daß sie sicher wieder von Troja wegkamen. Id. ib. c. 11. Er rieth auch bey schon angegangenem Kriege alles Ernstes, die Helena sammt allem, was mit ihr geraubet worden, den Griechen wieder zu geben: er verdienete aber damit eine schlechte Gewogenheit bey dem Paris und seines gleichen. Homer. Il. Η. v. 346. Es wurde ihm endlich auch so nahe geleget, daß er sich mit den Griechen in Tractaten einließ, und ihnen erstlich das Palladium zuschanzete, Dict. Cret. lib. V. c. 8. Cf. Suid. in Παλλάδιος. so dann aber auch die Stadt endlich selbst in die Hände spielete, Sisenna ap. Serv. ad Virgil. Aen. I. v. 242. indem er ihnen nicht nur mit der Laterne ein Zeichen von der Mauer gab, in die Stadt einzubrechen; sondern auch das hölzerne Pferd eröffnete, und die darinnen verborgenen Griechen heraus ließ. Lycophr. v. 340. & ad eum Tzetz. l. c. Zwar wollen ihn einige dießfalls gern entschuldigen und von dergleichen Verrätherey lossprechen. Cerda ad Virgil. l. c. Allein, wenn das auch gleich, daß die Griechen eine Wache vor sein Haus setzeten, damit ihm und den Seinigen kein Leid bey der Plünderung der Stadt wiederführe, Dict. lib. V. c. 12. für eine bloße Dankbarkeit der Griechen gehalten werden kann, daß er vormals den Ulysses und Menelaus wider den Paris geschützet, und auch sonst immer zur Auslieferung der Helena gerathen: Liv. lib. I. c. 1. & Serv. ad Virg. l. c. so bleibt dennoch ein ziemlicher Verdacht daher auf ihm, daß er eine Pantherhaut vor sein Haus gehänget, damit solches vor andern kenntlich seyn möchte. Strabo ap. Fabr. ad Dictyn, l. c. Pausan. Phoc. c. 27. & Serv. ad Virg. l. c. v. 242. Indessen wollen einige, daß er nach Zerstörung der Stadt Troja [276] mit den Seinigen nach Italien gegangen, und, nachdem er die Euganeer überwunden, die Stadt Padua erbauet habe; Virgil. l. c. v. 247. wogegen andere selbst der Venetianer Ankunft von ihm herschreiben. Cato ap. Plin. H. N. lib. III. c. 19. & Liv. l. c. Allein, andere wollen auch, daß er zu Troja geblieben, und die Stadt, so gut er gekonnt, wieder erbauet habe. Da sich nun alle zerstreuete Trojaner in kurzem wieder bey ihm einfanden, so errichtete er ein so ziemliches Königreich daselbst wieder. Dictys lib. V. c. 17. & Dares c. 43. Allein, noch andere geben vor, er habe sich zwar erst noch zu Troja aufgehalten, endlich aber sey er von den übrigen Trojanern, seiner an der Stadt begangenen Verrätherey halber, vertrieben worden. Ban. Entret. XVII. ou P. II. p. 178. Seine Gemahlinn war sonst die Theano, eine Schwester der Hekuba, Hom. Il. Ζ. v. 298. und seine Söhne Glaukus, Paus. Phoc. c. 28. Koon, Hom. Il. Λ. v. 249. Archilochus, Id. ib. Β. v. 824. Akamas, Polybus, Agenor Id. ib. Λ. v. 59. Iphidamas, Id. ib. v. 221. Demoleon, Id. ib. Υ. v. 396. Helikaon, Id. ib. Γ. v. 123. und also deren bis 19 in allen, Buddeus Lex. H. V. in Antenor, von denen aber die meisten in dem trojanischen Kriege umkamen. Er selbst soll zu Padua gestorben seyn, und will man daselbst vor ungefähr 400 Jahren seinen Sarg wieder gefunden haben, der von Bleye war, wobey ein Degen lag. Beydes setzete man wiederum in einen an dem Eingange der St. Laurentiusgasse errichteten Begräbnisse bey, und ein paduanischer Rathsherr, Lupatus, machete diese Ueberschrift darauf, wie sie noch eigentlich zu sehen ist:


C. Inclitus Antenor Patriam vox nisa quietem.

Transtulit huc Enetum Dardanidumque fugas.

Expulit Euganeos Patavinam condidit urbem.

Quem tenet hic humili marmore cesa domus.


Misson. Itiner. Ital. Epist. 15. pag. 210. Es ist aber wohl nicht zu zweifeln, daß die Paduaner mit solcher ihrer Leichtgläubigkeit [277] ihre Einfalt eben so sehr, als mit dem wiedergefundenen Grabe des Livius, an den Tag gegeben haben.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 275-278.
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