Amputation

[165] Amputation ist in der Chirurgie die theilweise oder gänzliche Abnahme einzelner Gliedmaßen. Der Römer Corn, Celsus, Zeitgenosse des Kaisers Tiberius, gibt zuerst Anweisung zur Vornahme der Amputation brandiger Glieder, aber die mit dieser Operation verbundenen Blutungen, deren man damals nur sehr schwer oder gar nicht Herr zu werden verstand, blieben stets ein großes Hinderniß. Man schnitt daher auch nicht in die gefunden Theile ein, sondern in die bereits durch Brand zerstörten, oder zwischen die gefunden und kranken Theile, Im 12. Jahrh., zur Blüthezeit der arab. Medicin, amputirte Abul Kasem, mir sichelförmigen glühenden Messern, in der Absicht dadurch den Blutungen vorzubeugen; aus gleichem Grunde wurde später der Amputationsstumpf in heißes Oel oder Pflaster getaucht. Im 16, Jahrh. wandte Ambr. Paré, Leibarzt Karls IX. von Frankreich, die Unterbindung der Blutgefäße gegen gefährliche Blutungen an; eine systematische, für die Dauer solcher Operationen anzuwendende Unterbrechung des Blutumlaufs war jedoch erst möglich, seit dem Harvey 1628 den Kreislauf des Blutes entdeckt hatte; der Holländer Verduin und der Franzose Vaugouyon wandten zuerst eine indessen sehr einfache Aderpresse an. Das Verfahren bei Amputationen war übrigens noch immer sehr roh; ein derber Holzschlägel, ein gewichtiges Stemmeisen und die Unterlage eines Hackklotzes genügten, einen menschlichen Arm um eine Hand kürzer zu machen; schadhafte Finger zwickte man mit einer soliden Kneipzange ab; so operirte übrigens auch noch Gräfe in Berlin zu Anfang dieses Jahrhunderts. Zu Ende des 17. Jahrhunderts machte sich J. L. Petit durch Verbesserung der Aderpressen und durch Vorschriften für die Amputation größerer Glieder verdient. Um diese Zeit unterschied man auch bereits zwischen Amputation in contiguo und in continuo. Erstere, d.h. die Ausschälungen aus den Gelenken, wurde besonders von Morand, Püthod, Wohler u.s.w. eingeführt. Die Exarticulationen und die aus ihnen hervorgegangenen Resectionen der Gelenke bilden derzeit eigene, [165] von den Amputationen gänzlich getrennte Kapitel der operativen Medicin.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 165-166.
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