Gehirn

[36] Gehirn, das, kommt in ausgedehnter Bedeutung als Centraltheil eines Nervensystems bis zur untersten Klasse des Thierreichs vor, im engeren Sinne ist es nur den Wirbelthieren eigen. Man unterscheidet zwischen großem u. kleinem G. Beide kommen bei allen Wirbelthieren vor, allein ihre Gestalt und das gegenseitige Verhältniß sind verschieden. Das G. besteht wesentlich aus mehren paarigen Theilen u. einem oder mehren unpaarigen Verbindungsgliedern. Es ist nichts weiter als eine höhere Entwicklung des Rückenmarks, das gleichfalls aus paarigen und unpaarigen Theilen besteht. Die in unnennbarer Zahl im thierischen Körper vertheilten Primitiv-Nervenfasern, welche bereits im Rückenmark einen Vereinigungspunkt gefunden haben, setzen sich in das G. fort, ebenso diejenigen Nervenfasern, welche den höheren Sinnenwerkzeugen, wie mittelbar od. unmittelbar diejenigen, welche der rein negativen Thätigkeit des thierischen Körpers vorstehen. Außerdem wird das Volumen des G.s durch die dem G. eigene Zwischensubstanz vermehrt. Man unterscheidet eine graue u. eine weiße Substanz. Jene ist blutreich, markig, diese gestreift, blutärmer. Das große G. des Menschen besteht im wesentlichen aus 2 Hemisphären, die im Innern eine Höhle, den seitlichen G.ventrikel enthalten, unter sich und mit einem unter ihnen liegenden gemeinschaftl. Ventrikel zusammenhängen. In diesen seitlichen Ventrikeln unterscheidet man 1 vorderes und 2 hintere Hörner. Die wichtigsten Hervorragungen daselbst sind der gestreifte Körper (corpus striatum) und der Sehhügel (thalamus nervorum opticorum), Als Verbindungsglied zwischen großem u. kleinem G. sind die Vierhügel (corpora quadrigemina) mit der Zirbel (glandula pinealis) anzusehen. Unter dem großen G., bedeckt von dessen hinteren Lappen, liegt das kleine. Wie die beiden Hemisphären des großen G.s durch den Balken (corpus callosum), das Gewölbe (fornise) und die Comissuren, so hängen die beiden seitlichen Theile des kleinen G.s durch den Wurm (vermis), einen markigen Querstreifen, zusammen. Die Vereinigung endlich zwischen großem, kleinem G. und Rückenmark ist vor allem in der großen ringförmigen Hervorragung an der Unterfläche des G.s (protuberantia annularis) oder der Varols-Brücke (pons Varolii) zu suchen. Die gesammte Oberfläche des G.s hat das Ansehen vielfach verschlungener Darmwindungen. Diese Windungen sind nur dem Menschen und den Säugethieren eigen. An der der Schädelhöhle zugekehrten Unterfläche sind außer der Varolsbrücke noch die sog. G.stiele (pedunculi cerebri), der Trichter (infundibulum), die Kreuzung der Sehnerven (chiasma nerv. optic.) und die Ursprünge sämmtlicher 12 Gehirnnervenpaare zu unterscheiden. Die unmittelbare Hülle des G.s ist eine seröse, mit Gefäßen vielfach durchzogene durchsichtige Haut, Spinnwebehaut und Gefäßhaut, diese ist umgeben von der harten Hirnhaut (dura mater), welche mehrfache zwischen die einzelnen G.abtheilungen eingreifende Falten, insbesondere eine zwischen beiden [36] Hemisphären des großen G.s, den sichelförmigen Fortsatz u. zwischen dem großen und kleinen G. das G. zelt (tentorium cerebelli) bildet. Das Ganze endlich ist umschlossen von der knöchernen Hülle der Schädelknochen.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 36-37.
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