Bedeutungswandel

[83] Bedeutungswandel ist die allmähliche Veränderung der mit einem Lautbilde verbundenen Vorstellungen in einer Sprache. Der Bedeutungswandel ist eine der wichtigsten Erscheinungen im Leben der Sprache. Seine Möglichkeit liegt darin, daß ein Wort bei seiner Anwendung eine von der gewöhnlichen Bedeutung abweichende Bedeutung gewinnen kann, d. h. im Gegensatz der occasionellen Bedeutung zur usuellen. Die occasionelle Bedeutung ist gewöhnlich an Inhalt reicher und an Umfang enger als die usuelle. Der Zusatz des Artikels zu einem Substantiv, die gemeinsame Anschauung des Sprechenden und Hörenden, die Gemeinsamkeit ihrer Lebensbeziehungen, die Beziehung auf Vergangenes, der Zusammenhang der Rede usw. machen die Einengung der Bedeutung eines Wortes im occasionellen Gebrauch möglich. Andrerseits[83] können in der occasionellen Bedeutung eines Wortes aber auch gewisse Teile der usuellen Bedeutung ausgeschlossen sein und so eine Erweiterung eintreten, oder die occasionelle Bedeutung kann etwas, was mit dem usuellen Bedeutungsinhalt räumlich oder kausal verknüpft ist, mitverstehn. In allen occasionellen Bedeutungen liegt nun die Wurzel des Bedeutungswandels. Bei Wiederholung wird das Occasionelle allgemein, und bei der Überliefung von einer Menschengeneration auf die andere erleidet es weitere Umbildung, z. B. durch die Generalisierungen des Kindes. Der Bedeutungswandel schafft im Gegensatz zum Lautwandel, der an die Stelle einer Form die andere setzt, die mehrfache Bedeutung ein und desselben Wortes. (Siehe H. Paul, Prinzipien der Sprachgeschichte, Kap. IV.) Vgl. Sprache.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 83-84.
Lizenz:
Faksimiles:
83 | 84
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika