Kritizismus

[316] Kritizismus (von Kritik) nennen wir Kants (1724-1804) System nach seiner erkenntnistheoretischen Seite. Kants Kritizismus besteht in der Maxime eines allgemeinen Zweifels an der Wahrheit aller synthetischen Sätze a priori, bevor nicht der Grund ihrer Möglichkeit in den wesentlichen Bedingungen unserer Vernunft erkannt und ihre Gültigkeit von Gegenständen durch eine Deduktion nachgewiesen ist. Er ist also der Zweifel des Aufschubs, einen allgemeinen Satz für wahr anzuerkennen, bevor man nicht das Erkenntnisvermögen, seine Leistungsfähigkeit und Beine Grenzen selbst untersucht hat. Der Kritizismus steht mithin im Gegensatz zum Dogmatismus, der jene propädeutische Arbeit vernachlässigt und der Vernunft des Menschen ein unbedingtes Zutrauen schenkt, und zum Skeptizismus, der an der Möglichkeit des Vernunftwissens überhaupt verzweifelt. Der Kritizismus ist nur eine Seite der Kantischen Philosophie. Siehe Kantianismus. – Allgemeiner heißt jetzt Kritizismus diejenige Art zu philosophieren, die vor aller anderen Philosophie die Erkenntnistheorie behandelt.[316]

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 316-317.
Lizenz:
Faksimiles:
316 | 317
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika