Die beiden Freundinnen

[180] Eines Abends sagte mir die vergötterte Gladys: »Da du so unglückselig an mir bist durch deine unerwiderte Zuneigung, so sollst du wenigstens mein Bett, meinen Polster, mein Nachthemde küssen dürfen, armer armer Peter – – –«.

Sie führte mich in das Zimmerchen, in dem sie und ihre Freundin Olivia schliefen. Sie sagte: »Dies rechts ist mein Bett – – –«.

Ich kniete nieder, küßte das geliebte Leintuch, die Decke, umfing in unermeßlicher Zärtlichkeit den geliebten Polster, der nach ihren Haaren duftete, küßte leidenschaftlich das Nachthemd – – –.

Sie schaute zu, begann zu kichern, zu kichern, zu lachen – – –, sich zu schütteln vor Lachen, sich zu schütteln. »Eh, das ist ja Olivias Bett, dem du alle diese Zärtlichkeiten spendest, mein Bester – – –!«

Ich war tief gekränkt durch diesen Mißbrauch meiner armen seelischen Kräfte, dieses unseres heiligen Lebenskapitales, und ich erwiderte ganz ruhig: »Nun, ist deine Freundin Olivia denn nicht auch ein wunderschönes anziehendes duftendes Geschöpferl?!?«

Die süße Gladys erbleichte bei diesen Worten. Sie sagte: »Komm, gehen wir, du bist ein Komödiant. Ich bin überhaupt viel zu liebenswürdig gewesen mit dir, you foolish man – – –«.

Später sagte ich zu Olivia: »Liebliche Olivia, welches ist eigentlich dein Bett in eurem Zimmerchen, das links oder das rechts?!?«[180]

»Das rechts – – –. Aber Gladys bat mich, dir, falls du mich darum fragen solltest, zu sagen, es sei das Bett links vom Eingange! Weshalb wünschte sie denn das von mir?!?«

Später sagte ich zu Gladys: »Geliebteste, du bist ja doch liebenswürdiger zu mir als du mich glauben machen willst – – –«.

Da sagte sie gereizt: »Glaubst du vielleicht wirklich, Idiot, daß es mein Bett gewesen ist?!?«

»Ja, das glaube ich!« sagte ich pathetisch.

Da wurde sie lächelnd zufrieden, ganz zufrieden. Und dann sagte sie sanft: »Armer Peter, daß ich gerade einen anderen lieb habe und daß dir gerade Olivia nicht gefällt – – –! Aber gefällt sie dir auch wirklich ganz ernstlich nicht?!«[181]

Quelle:
Peter Altenberg: Märchen des Lebens. Berlin 7–81924, S. 180-182.
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