Lob des Eisens

[32] 1806.


»Gold« schreit die feige Welt,

Und Gold macht feige Knechte,

Des Tapfern Herz verstellt

Und schwächt des Starken Rechte;

Für Gold mag keiner sterben,

Der nicht mehr leben darf,

Und edlen Ruhm zu werben

Macht's nie den Degen scharf.


Drum preis' ich das Metall,

Das schwarze, braune Eisen,

Denn ohne Glanz und Schall

Es tut sich herrlich weisen,

Heilt mächtig alle Wunden,

Die jenes blanke macht;

Wär' Eisen nicht gefunden,

Noch tappten wir in Nacht.


Es stellt den Pflug ins Land,

Die Erde zu bezwingen,

Es läßt das Schiff vom Strand

Auf schnellen Windesschwingen,

Baut Menschen feste Sitze

Und führt die Kunst ins Haus

Und löscht des Donners Blitze

Mit einer Stange aus.
[32]

Und wann die Sitte flieht

Und Männerarm' erschlaffen,

Wann Trug für Ehre blüht

Und Gold gebeut für Waffen,

Wann Despotismusjammer

Die Welt mit Schmach bedroht,

Dann schlägt aus ihm der Hammer

Sieg und Tyrannentod.


Dann wird es schöne Wehr,

Des Mannes Heil und Freude,

Als Schwert, als Schild, als Speer,

Als festes Brustgeschmeide

Macht es den Tritt der Braven

Den Knechten fürchterlich,

Wir wären alle Sklaven

Ohn' Eisen ewiglich.


Und sieget Tyrannei

Und sinkt des Glückes Wage,

So macht es blutig frei

Mit einem tapfern Schlage,

Zerhaut die Schlangenknoten,

Die Trug und Feigheit flicht,

Und schickt die tapfern Toten

Empor zu Recht und Licht.


Bleib, Eisen, Männern hold,

Laß Knechte Gold begehren.

Wer deine Kraft gewollt,

Der wollte hohe Ehren,

Der wollte herrlich leben

Und herrlich untergehn.

Drum sei dir Preis gegeben,

O Eisen schwarz und schön!

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 32-33.
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