Der Pfalzgraf

[114] Romanze.


Der Pfalzgraf von dem Rheine

Saß in dem Abendscheine,

Der Berg und Thal umfloß,

Am Heidelberger Schloß,

Auf einer hohen Platte

Von Gallerien umringt.

Da sah der Lebenssatte,

So weit sein Auge dringt,

Des Glückes Purpurthau,

Der Rhein erblinket blau,

Der Neckar kommt gewunden,

Rechts, links von Lust gebunden.


Tief unter Wallnußbäumen

Des Alten Blicke säumen

Bei einem weißen Haus,

Wo Klara schaut heraus,

Die seinen Leib erfrischet,

Daß er den Geist erträgt,

Und sein Getränk ihm mischet,

Das ihm den Frohnsinn regt,

Wenn er nach Herrscherlast

Sucht Abends frohe Rast,

Jetzt sieht er sie da spinnen,

Auf neu Liebkosen sinnen.


Dann sieht er unten sitzen,

Bei Wein und guten Witzen

Und bei dem lieben Weib,

Die frommen Arbeitsleut,[115]

Doch wenn sie wollen singen,

Da kommt ein groß Geschrei,

Daß alle Ohren klingen,

Dort von der Sakristei,

Der Theologen Schaar

Drein sitzet schon ein Jahr,

Die pressen ihren Glauben

Aus den unreifen Trauben.


Der Pfalzgraf die Doktoren

Läßt kommen, die wie Thoren

Voll Bosheit sind für Gott,

Sich hassen auf den Tod:

»Heut müßt ihr euch vereinen,

Weil still die Welt heut ruht,

Wie Gold die Berge scheinen,

Ihr Schatten frischen thut,

Der Strom rauscht hier noch toll,

Wo er recht tragen soll,

Muß er still eben fließen,

Da werden Schiffer grüßen.«


Die Calvinisten rufen:

»Die Berge sind nur Stufen

Zum reinen Himmelssaal,

Sein Bild ist da zumal,

Kein irdisches Gepränge

Wie in dem Lutherthum,

Das hält Vernunft gar enge;

Vernunft sei unser Ruhm,

Bestimmung unser Gott,

Kein Blut hat er zum Spott,

Trinkt ihr's im Abendmahle,

So klebt ihr an der Schale.«[116]


Die Lutheraner schreien:

»Ihr wollt uns hier entweihen

Die große Gottes Welt

Mit eurer Herzenskält,

Wozu hat Gott geschaffen

Der grünen Wälder Pracht,

Der Wolken helle Waffen,

Und ihrer Blitze Macht,

Wollt ihr nicht sehn um euch,

Doch wir verstehen euch gleich;

Denn wir verstehn die Welten,

Ihr könnet sie nur schelten.«


»Das Wort ist Fleisch geworden,

Wer will das Wort ermorden?

Der Geist ist in dem Blut,

Es treibt in Gottes Fluth!«

Da schrein die Calvinisten:

»Ihr seid ein Pantheist,

Wir sind allein nur Christen,

Wir kennen eure List!« –

Der Lutheraner tobt

Und Gott im Himmel lobt,

Daß er nicht blos im Geiste,

Daß Wahrheit hier das Meiste.


Den Graf bewacht ein Leue

Der meint bei dem Geschreie

Den Herren in Gefahr,

Sprengt seine Kett fürwahr

Und springt zu seinem Herren,

Sich auf die Schulter legt,

Den Rachen thut aufsperren,

Die Tatze drohend trägt,[117]

Die Doktors werden still:

»Der euch vereinen will,

Das ist des Papstes Schrecken,

Der möcht' euch beide strecken.«


Der Pfalzgraf sagt mit Lachen:

»So stehn nun eure Sachen,

Wer hält nun Stich im Tod,

Doch streitet ihr ohn' Noth,

Nun mag der Streit nur währen,

Der Leue sieht euch zu,

Wollt ihr ganz ruhig lehren

So läßt er euch in Ruh,

Ich bind' ihn wieder an,

Was ich sonst nicht mehr kann;

Der weltlich' Arm soll streiten,

Der Geist in Lieb' fortschreiten.«


»Wenn einst dies Schloß verfallen,

Aus Ritzen Bäumlein wallen

Statt Fähnlein auf dem Thurm,

Als einz'ge Wach' im Sturm,

Manch steinern Bild der Ahnen

Nur schwacher Epheu hält;

Den Weg sich Wandrer bahnen

Zu schaun die öde Welt,

Mit Graun durch Säle ziehn,

Wo wilde Blumen blühn;

Seht wie die Berge grauen,

Ich mein' das all zu schauen.«


»Seh mein Geschlecht verdränget,

Die Löwen all' versprenget,

Die in dem Graben brülln,

Das Faß will sich nicht fülln,[118]

Die heil'ge Lind gehauen

Am Wolfsbrunn und kein Tanz

Find' ich mehr anzuschauen

Bei der Forellen Glanz,

Der Glaub' wird überall

Ein später Wiederhall

Vom Spruch, der lang' vergessen:

So wird er neu besessen.«


»So wird in allem Trauern,

Was Liebe schuf doch dauern,

Und aller euer Haß

Ist dann der Leute Spaß,

Drum wollt ihr ewig leben,

Ihr Herren, nun wohlan,

So müsset ihr aufgeben

Des blut'gen Hasses Bann,

Drauf gebt euch Hand und Mund

In dieser ernsten Stund,

Auf, sondert fromm die Lehren,

Ihr sollt euch lieben, ehren.«


Die Doktors gar in Nöthen

Sich gern die Hände böten,

Da legt der Graf auf's neu

An seine Kett den Leu:

Doch wer kann Teufel ketten,

Kaum waren sie bergab,

Sich von dem Schwert zu retten,

Da schrie – Dickkopf – ein Rab,

Den Luthrischen zum Trutz,

Aus war der ganze Nutz,

Auf zweie thät's nur wirken,

Die wurden gar zu Türken.[119]


Nur Klara weiß zu lohnen

Des Grafen liebreich Schonen,

Sie schmückt der Jungfraun Schaar

Mit Blumen in dem Haar,

Mit Blumen um die Leiber,

Mit Blumen um den Hals,

Und drei der schönsten Weiber

Hochfroh des Stimmenschalls

Zum Schlosse gehn empor

Mit diesem frohen Chor,

Beim letzten Sonnenscheine,

Sie singen ihm so feine:

Die Neigung nur kann freie Mädchen binden

Zu einem Kranz sich tanzend zu umwinden,

Daß Arm und Fuß zugleich gezogen

In ihrem sanften Bogen

Den lieben Fürsten leicht umringen,

Ein Loblied ihm zu singen.


Ehrwürd'ger Greis, du suchtest auf die Gassen,

Daß unsre Noth dich bittend konnt' erfassen,

Die Noth hast du geendet weise,

Nun hör' auf frohe Weise,

Tritt mit in unsern frohen Reihen,

Beglückend ihn zu weihen.


Wir preisen hoch dein Silberhaar in Locken,

Dein helles Aug' macht unsre Augen trocken,

Dein Lächeln ist der schönste Segen,

Die Furcht vor dir zu legen,

So mögen wir in liebendem Vertrauen

Dich alle gern anschauen.


Heil dir, du hast des Tages Müh getragen,

Mit Geist und Muth den Feind geschlagen,[120]

Mit Kunst geschmückt der Kirche Hallen,

Du bist des Volkes Wohlgefallen,

Du bist zu unserm Glück geboren,

Dein Glück hat uns erkoren.


Heil uns! Laß dir von dreien edlen Schönen

Die lichte Stirne rosig krönen,

Und lüfte dich im Abendtanze,

Im letzten Sonnenglanze,

Du bist nicht alt, du wirst verjünget,

Wenn dich der Kranz umschlinget.


Gleich schön sind wir, die schönsten drei von allen,

Gleich Seiten von Krystallen,

So sind wir gleich und fest verbunden

Zu deinen frohen Stunden,

So gleich sind wir, dir eifrig zu gefallen,

Des Volkes Wohlgefallen.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 22: Gedichte, Teil 1, Bern 1970, S. 114-121.
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