Der Prinzenraub

[288] Tänzels curiöse Bibliothek. 1705. S. 783.


Wir wolln ein Liedel heben an,

Was sich hat angespunnen,

Wie's im Pleißnerland gar schlecht war bestallt,

Als den jungen Fürst'n geschah Gewalt,

Durch Kuntzen von Kauffungen.


Der Adler hat auf'm Fels gebaut

Ein schönes Nest mit Jungen,

Und wie er einst geflogen aus,

Holt ein Geyer die Jungen heraus,

Drauf ward's Nest leer gefunden.


Wo der Geyer auf'm Dache sitzt,

Gedeihen die Küchlein selten,

Es war da ein seltsam Narrenspiel,

Welcher Fürst seinen Räthen traut zu viel,

Muß oft es selber entgelten.


Altenburg, du feine Stadt,

Dich thät er mit Untreu meinen,

Da in dir war'n all' Hofleut voll,

Kam Kunz mit Leitern und Buben toll,

Und holt die Fürsten so kleine.[288]


Was blast dich, Kunz, für Unlust an,

Da du ins Schloß einsteigest?

Und stiehlst die zarten Herren heraus,

Als der Kurfürst eben nit war zu Haus,

Die zarten Fürsten-Zweige.


Es war wohl als ein Wunderding,

Wie sich das Land beweget,

Was da auf'n Straßen war'n für Leut',

Die den Räubern folgten nach in Zeit,

All's wibbelt, kribbelt, sich beweget.


Im Walde dort ward Kunz ertappt,

Da wollt er Beeren naschen;

Wär er in der Hast wacker fortgeritten,

Daß 'n die Köhler nit gefangen hätten,

Hätt er sie kunt verpaschen.


Ab'r sie wurden ihm wieder abgejagt,

Und Kunz mit seinen Gesellen

Auf Grünhain, in unsers Herrn Abts Gewalt

Gebracht, und auf die Zwika gestellt,

Und muste sich lassen prellen.


Dafür fiel ab gar mancher Kopf,

Und keiner der Gefangnen

Kam aus der Haft ganzbeinigt davon,

Schwerdt, Rad, Zang'n, Strick, die war'n ihr Lohn,

Man sah die Rümpfe hangen.


So geht's, wer wider die Obrigkeit

Sich unbesonnen empöret.

Wers nicht meint, schau an Kuntzen,[289]

Sein Kopf thut z' Freiberg noch runterschmunzen,

Und Jedermann davon lehret.


Gott thu den frommen Christen alles Guts,

Und laß die jungen Herren,

In kein Feindes Hand mehr also komm'n,

Geb auch der Frau Churfürstin viel Fromm'n,

Daß wir uns in Ruhe ernähren.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 288-290.
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