Ländlich, sittlich

[53] Abele künstliche Unordnung, IV. S. 412. Alte Buchhändleranzeige von einem Classiker? –


Ein schönes Jungfräulein, die von geschickten Sitten

Wird in die Stadt geführt, zu Markt auf einem Schlitten,

Der lieblich glänzt und prahlt mit Blumen, Laub und Kraut,

Der schönste Rosmarin beschmückt die junge Braut;

Die Pferde sind gepuzt, und freudig ausgezieret

Mit Rosen überall, und der die Jungfrau führet,

Kommt grün bekrönt daher, er treibet nach Gebühr

Die stolzen Hengste fort, sie tanzen für und für.

Beim Schlitten gehn zu Fuß drei und noch vier Jungfrauen,

Die nimmer ihren Leib den groben Gästen trauen;

Die streuen Palmen aus, und sonsten ander Kraut,

Zur Ehr und süssen Lust der wunder schönen Braut.

So fährt der Schlitten her, auf Palmen und Zeitlosen,

Und kehrt sich niemals um, als auf gestreuten Rosen,

So sizt die junge Braut mit Blumen wohl bestreut,

Dies ist die höchste Ehr in ihrer jungen Zeit.[53]

Fünf Meister, wohl geübt, die Stimmen einzuzwingen,

In Flöten, Lautenklang, wenn sie aufs beste klingen,

Die spielen auf der Laut, und sonst ein Instrument,

Auf welchen süssen Thon ein jeder kommt gerennt,

Ja alles Volk kommt frisch her zu den Schlitten springen,

Sie schöpfen Freud und Lust aus allen schönen Dingen.

Doch was dem lieben Volk am treflichsten behagt,

Das ist das schöne Bild, das ist die junge Magd.

Wann dieser Zierrath nun ist auf den Markt gekommen,

Und eine Menge Volks, den Schauplatz eingenommen,

So tritt der Ruffer auf hart bei der jungen Braut,

Und fällt die Jungfrau an, und ruft so überlaut:

Kommt her ihr jungen Leut, ihr frische junge Knaben,

Wer eine Labung sucht, das Bild das kann ihn laben.

Wer Schönheit sucht, der komm, und biethe Geld dafür,

Dies ist ein schönes Bild, von recht erwünschter Zier,

Kommt hie und kauft das Bild, kommt, kommt ihr jungen Leute,

Hie ist ein Lilienherz, wohl! dem es wird zur Beute,

Hie ist ein Röselein, von keinem nicht gepflückt,

Von niemand angerührt, von keinem unterdrückt,

Hie ist ein rother Mund, hie ist ein ehrbar Wesen,

Hie ist ein schöner Schatz, von tausend auserlesen,

Hie ist ein treues Herz, hie ist ein junger Leib,

Hie ist für euer Lieb ein ehrlich Zeitvertreib,

Hie ist ein wackres Aug, und Rosen gleiche Wangen,

Hie ist das schönste Haar, der Menschen Herz zu fangen,

Hie ist ein edel Pfand, das einem frischen Mann

Die ganze Lebenszeit, zur Freude dienen kann.

Was ist ein schönes Weib, mit lieblichen Geberden?

Es ist ein Paradies, ein Himmel auf der Erden,

Es ist ein Augentrost, und eine stete Freud,

Es ist ein sanfter Ort, und Port für junge Leut,

Was ist ein häßlich Weib? Ein Ungeheur im Hause,[54]

Medusen Schlangenhaupt, das immer lebt im Sause,

Wer solcher einmal sich hat ehelich verpflicht,

Wie klar die Sonn auch scheint, doch ist er ohne Licht.

So ruft der Ruffer aus, die Jugend tritt entgegen,

Biet Geld, Geld über Geld, weil ihr daran gelegen,

Und wenn man dann zulezt nicht höhern Vortheil spürt,

Wird dem, ders Meiste bieth, die Jungfrau zugeführt.

Und dann ruft alles Volk, ein glücklich langes Leben,

Muß Gott der neuen Braut, und ihrem Liebsten geben,

Und solches siebenmahl, ja endlich setzt sich auch

Der Käufer bei ihr auf, nach ihres Lands Gebrauch,

Dann fahren sie zur Kirch, und fangen an zu beten,

Wann dieses dann geschehn, so kommt er her getreten,

Umarmet sie, und wenn er sie nach Haus gebracht,

Genießt er drauf mit Lust, wornach er hat getracht.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 3, Stuttgart u.a. 1979, S. 53-55.
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