[406] Königin Mathilde, ein russischer Cavalier, Brandt, Keith, Köller, Damen, Hofleute.
MATHILDE.
So habt ihr, Fürst! auf eurer Reise auch
Den Hof von Sanssouci besucht? Und habt
Den Helden auf dem Thron geseh'n?
FÜRST.
Ich fand
Den königlichen Weisen unterm Schatten
Des Lorbeers, den er selber sich gepflanzt.
Er wandelt unter friedlichen Orangen,
Schmückt seine zauberschnell emporgestieg'nen
Paläste mit Gebilden heit'rer Kunst,[406]
Und sinnt, ein weiser Fürst, nach heißen Schlachten
Jetzt seines Volkes stilles Glück.
MATHILDE.
Wir dürfen
Das Volk wohl glücklich preisen, dem ein König
Wie dieser ward; doch laßt uns nicht vergessen,
Daß auch der König, dem ein solches Volk
Zu Theil geworden, minder glücklich nicht,
Zu preisen ist. Des größten Herrschers Wille
Prallt wie die Welle von dem starren Felsen
Sich selbst vernichtend weg vom stumpfen Herzen.
Das Volk des großen Friedrich aber will
Das Große, und ein thatbegehrend Wort
Des Königs findet muth'gen Wiederhall
In seiner Preußen Herzen.
Rauh ist ihr Himmel und ihr Boden karg.
Vorsorglich hat kein günstiges Geschick
Mit fetten Triften sie gesegnet, nicht
Mit reichen Hügeln; nicht ihr dürftig Land
Umgürtet mit dem vielgeschäft'gen Ufer,
Das seinen eignen Segen mit dem Reichthum
Des fremden Schiffers tauscht. Sie haben nur
Den Schatz der eignen Brust; das wissen sie,
Und hüten ihn mit stiller Einigkeit.
In Friedrich's Reich vergiftet Zwietracht nicht
Des Königs Ruh' und nicht der Bürger Herzen.
Das macht sie groß, – das wird sie größer machen.
O immer hab' ich meiner edlen Muhme
Beglücktes Loos gepriesen, die zur Seite[407]
Des ersten Friedrich's saß auf Preußens Thron.
Sie durfte frei dem königlichen Trieb
Des Herzens folgen, durfte in das Land
Die Künste rufen, einen eignen Tempel
Der Wissenschaft erbauen. Keiner schalt sie
Unköniglich gesinnt, kein störrisch Volk
Empfing verachtend die erhab'nen Gaben.
Dank ihrer Zeit, und ew'ger Nachruhm wurde
Der Kön'gin Lohn, und eine Kön'gin war sie
In des erfüllten Willens Herrlichkeit,
Die glückliche Sophie!
KEITH für sich.
Ihr Herz verräth sie. Diese Dänen hören's
Und knirschen.
FÜRST.
Englands Königshaus hat stets
Auf fremden Thronen seine edlen Töchter
Zu seltnem Ruhm geseh'n. So herrschte einst
Ein Bild der Weisheit in dem Land der Preußen
Sophie Charlotte, und mir wird es heut'
Vergönnt, auf Dänmarks Thron nicht minder Weisheit
Gepaart zu sehen mit der Grazien Huld.
MATHILDE.
Das ist die Sprache von Versailles! Wir hören's,
Daß ihr an König Ludwig's Hof gewesen.
Ihr geht nach London, Fürst, und werdet dort
Den König, meinen Bruder, im Palast[408]
Zu Richmond sehen. Sagt ihm, daß wir hier
Geschäftig sind für unsres Volkes Wohl;
Daß wir das Beste wollen; sagt ihm, Fürst!
Wie ihr dies Land gefunden. Vieles steigt
Erst strebend auf; allmälig nur gedeiht
Das Kühnbegonnene, doch denken wir
Nicht zu ermüden, und des späten Segens
Uns hoffend zu erfreu'n. Sein liebend Herz,
Das brüderlich, ich weiß es, unsrer stets
Bedenkt, soll nicht für unsre Ruhe bangen.
Mit einem Blick auf Keith.
Dem königlichen Willen steht ein treuer,
Ein vielgeprüfter Diener kühn zur Seite,
Graf Struensee, ein Mann von selt'ner Gabe,
Den wir zu schätzen wissen; –
Sich gegen die Mittelpforte wendend.
Siehe da,
Die Majestät der Königin Juliane.
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