52. Zum Gesellenzug.

[26] Aus einem alten Manuscripte im Besitze Herrn Arnolds in Saulgau.


Vor die ehrsamen Junggesellen, in der Faßnacht abzudanken.

Das den 26. Jenner ist abgeschrieben worden aus dem Büchlein vom Zimmerhansle. 1714.

Dann abgeschrieben worden von Gabriel Barsautter 1775, wieder renovirt, wie folgt:

Am Sonntag nach Dreikönig kommen die Gesellen zusammen. Man gibt dem Oberplatzmeister den Spruch gleich; doch beim Fahnenabholen darf er vor dem Wirtshaus noch nicht sprechen. Die Fahne wird abgeholt alle Jahr, und wenn man mehrere Jahre in Einem Wirtshause verbliebe.

Die Fähndriche werden gemacht am schmotzigen oder gumpigen Donnerstag oder Dienstag zu Mittag 12 Uhr oder auf die Nacht halb 8 Uhr, bevor die Zech »verrieft« wird. Die Zech wird nach altem Gebrauch »verrieft«, wie gewöhnlich um halb 8 Uhr. Die Gassengesellen können in der Stille gemacht werden. Die vier Platzmeister, ein Gassengesell, der Tambour und der Pfeifer müssen erwählt werden.

Zu bemerken hat der Tambour und Pfeifer, wie auch der Oberplatzmeister:[26]

1) Wenn die Gesellschaft das Faßnachtküchlein abholt zu Sießen, und zuvor in den Mühlen, daß alle Zeit Morgen um 3/4 auf 6 Uhr das uigader (?) in der Stadt herum geschlagen wird.

2) Daß der Oberplatzmeister in der Mosheimer Klostermühle beim frühen Morgentrank angemacht wird. Daß sich Keiner berausche bei fünf Kanten Wein Strafe.

3) Am Sonntag nach hl. Dreikönig kommen die ehrlichen Gesellen durch den Doktor der Faßnacht in der Schul zusammen. Der älteste und der jüngste der Gesellen senden einen fremden Gesellen-Doktor und lassen bei der Thüre keinen aus noch ein, bis Erlaubniß ertheilt wird. Tambour und Pfeifer sitzen als unparteiische Zeugen dabei, dürfen aber kein Votum abgeben nach dem Rang: der erste, dann der zweite, dann der dritte Platzmeister; der vierte ist ein fremder Platzmeister, wenn einer da ist. Man darf einen Jeden erwählen, der ein ehrlicher Geselle ist. Der aber erwählt wird, der muß es behalten, oder er wird von Gesellen gestraft. Der aber erst sein Stell oder Amt will heimgeben außer der Gesellschaft oder außer der Schul, dem nimmt man's nicht mehr ab, und macht sich niederträchtig bei der ganzen ehrlichen Gesellschaft und wird der hochzuverehrenden Gesellschaft klagbar.

Jetzt hat die ehrliche Gesellschaft auf die nämliche Weise zu erwählen das Wirtshaus, vom Aeltesten bis auf den Jüngsten; dann schickt der Oberplatzmeister, der Junggesell und Doktor in das erwählte Wirtshaus, um dort zu fragen, wann sie zurückkommen und ob sie angenommen worden sind.

Dann hat der Oberplatzmeister zu bemerken, daß er die ehrliche Gesellen-Gesellschaft auf das höflichste einladet in das Wirtshaus.[27]

Nachmittag nach 3 Uhr holen die vier Platzmeister die Fahnen ab. Der Oberplatzmeister schwingt die Fahne bei der Pfarrkirche und zieht in das bestimmte Wirtshaus.

Der alte Oberfähndrich hat kein Recht mehr zum Abholen der Fahne, außer er sei anderer Platzmeister geworden, dann hat er das Recht, wie der erste Platzmeister.


Oberfähndrich erwählen.

Keiner als der andere Platzmeister hat das Recht auf das Ehrenamt als Oberfähndrich zu schlagen, und kann's werden, wenn er es haben will und das Meiste bietet: eine jede Kante Wein vor 24 Kreuzer.

Der Oberfähndrich legt am Faßnachtsonntag einen blauen Mantel an und zieht in seinem Rang ohne Fahne einher.


Erwählung der Fähndriche.

Er sagt dem Oberplatzmeister: der vierte Platzmeister hat das Recht, zuerst auf das Unterfähndrichamt zu schlagen, und kann's auch werden; auch die hiesigen Bürgersöhne dürfen drauf schlagen und der Meistbietende bekommt's; doch hat der Fremde das Vorrecht: um was vorhin geschlagen worden, um das kann er's haben vor einem hiesigen Bürgerssohn; denn das gehört einem fremden ehrlichen Gesellen.

Die Kante Bier wird vor sechs Kreuzer angerechnet; denn er darf nur Bier bezahlen und der Fähndrichführer auch.

Fähndrichführerstell gehört einem hiesigen ehrlichen Bürgersohn; er darf auch zum Fähndrichmahl.

Beim Fähndrichmahl: Ein Jeder legt unter den Teller 24 Kreuzer. Oberplatzmeister.

Die zwei Gassengesellen gehören nicht zum Fähndrichmahl, wenn's der Oberfähndrich nicht haben will; hingegen[28] dürfen die Gassengesellen in das halbe Fähndrichmahl ohne Kosten und ohne Scheu und mit ihnen essen und trinken, so lange es noch dauert. Tambour und Pfeifer dürfen gleich arrettiren und gleich mit klingendem Trommel- und Pfeifenspiel mit den Gassengesellen in das Wirtshaus ziehen. Die vier Platzmeister und Fähndrich müssen mit zusammengerollter Fahne in der Stille zur Strafe ohne Musikanten in's Wirtshaus. Die Gassengesellen haben zu bewirken und zu beobachten in einer Stund, bevor nicht zum Fähndrichmahl mit blanken Seitengewehr. Klopfen an und zu Ehren den Herrn Vater und Frau Mutter, dann Gesellen sie grüßten jeden Ehrgesellen ihr Herren. Mir sind hier, Ihnen die Ehre zu zeigen, geneigtwillige Dienste zu leisten, wann's Euch beliebig ist, mit Was in das Wirtshaus zu gehen, und die ganze ehrsame Gesellschaft durch ihre Gegenwart zu erfreuen, das ist der Gruß im Namen der ehrsamen Gesellen. Jetzt wie man Euch beehrt, so stellt Euch hin und fahret nach der Vorschrift fort. Die zwei Gassengesellen sollen bei der Musik oder Maienlieder am Fastnachtmontag in der Nacht sich dabei einfinden, mit bloßen Seitengewehr und Degen auf den Steinen kretzen oder Feuerschlagen und die Musik mit Trommeln und Pfeifen bekleiten und beschützen; das es ihnen nichts begegnet von den Nachtschwärmern. Wer sie antrefen, dürfen sie arediren oder riefen: wer da! wer da! wer da! Wo keine Antwort, so packt an, wer sie sind, und straft's bei der Gesellschaft, und wann sie nicht wollen, so zeigt's an bei der hochverehrenden Obrigkeit.

Am Aschermittwoch wird alles verrechnet nach 12 Uhr, und dabei sind die vier Platzmeister, Oberfähndrich und Unterfähndrich, wann man dem Gassengesellen schenkt, was er geschlagen hat, so darf man ihn nicht zu der Abrechnung[29] nehmen, man braucht ihn nicht. Tambour und Pfeifer gehören auch dazu und sonst einen Mann. Verzehren darf man auf Einen: Eine Halbe Wein, Ein Maas Bier, Ein Brod, und dieses alles in die Rechnung einführen, und wird verschoben bis auf den Tag, oder ersten Sonntag in der Fasten. Der Oberplatzmeister ist die ganze Fastnacht zechfrei. Er darf nie bezahlen in der Zech. Er allein, sonst Keiner ist ausbenamst. Der Platzmeister fordert die Zech bei allen ein und sagt einem jeden, wie viel und was er bezahlen muß. Bevor der Herr Wirt das Küchle hergibt, muß alles Geld beisammen sein und der Wirt muß bevor bezahlt werden. Das Geld dem Platzmeister oder am ersten Sonntag in der Fasten, wie sie wollen. Der Doktor wird in die sieben Mühlen geschickt, dorten die Gesellschaft anzusagen, einen Tag vorher. Er kriegt in einer jeden Mühle ein Imi Schönmehl, ein Laib Brod. In der Säge ausgenommen und Moosheimer Klostermühle nur ein Laib Brod, sonst nichts. In der Oehle drei Oehlzelter. Im Pfarrhof am Fastnachtsonntag einen Trunk, ein Brates. Beim Fastnachtdienstag einen Laib Brod, und im Buchauischen Amthaus einen Laib Brod.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 26-30.
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