Zweitens

Liebe und Bekehrung

[81] Ein Irrtum, welcher sehr verbreitet

Und manchen Jüngling irreleitet,

Ist der: daß Liebe eine Sache,

Die immer viel Vergnügen mache.


Antonio meinte dieses, als

Er größer wurde, ebenfalls. –


Denn ach! noch immer liebt' er ja

Die schon erwähnte Julia,


Selbst dann noch, als die Auserwählte

Sich einem Manne anvermählte. –


Liebe und Bekehrung

An einem Abend, kalt und bitter,

Als er, wie öfters schon, die Zither


Vor ihrem Fenster klagend schlägt,

Ob er vielleicht ihr Herz bewegt –
[81]

Pst! pst! – ertönt es da hernieder –

Daß durch die halberstarrten Glieder

Ein wonnevoller Schrecken dringt –

Pst! pst! Sieh da! Sie winkt, sie winkt! –

Von Hoffnungsflügeln sanft gehoben

Schwebt er treppauf und fliegt nach oben.


Wer möchte nicht, wenn er durchfroren,

Die halbverglasten steifen Ohren

An einen warmen Busen drücken

Und so allmählich sich erquicken???


Antonio hoffte dieses, als

Er hergekommen, ebenfalls.


Doch ach! kaum hat er Platz genommen,

Da hört man draußen schon was kommen.

Mit Husten und mit Sporenklang

Klirrt der Gemahl den Flur entlang.


Liebe und Bekehrung

Schnell unters Faß! – so ruft das Weib

Und stülpt's Antonio auf den Leib;

Und auch die Katze, sehr erschreckt,

Wird in der Hast mit zugedeckt.


Liebe und Bekehrung

[82] Der Hausherr fängt als Biedermann

Mit seiner Frau zu kosen an.

Liebe und Bekehrung

Antonio aber, sehr beengt,

Hat seine Finger eingezwängt.


Liebe und Bekehrung

[83] Derweil verspüret hinterwärts

Am Schwanz die Katze großen Schmerz.

Liebe und Bekehrung

Sie meint: Antonio hat's getan!

Die Kralle kratzt, es beißt der Zahn.


Liebe und Bekehrung

[84] Das Faß fällt um, der Lärm wird groß,

Die Katze läßt so leicht nicht los.


Liebe und Bekehrung

Mit seinem Degen stößt der Mann.

Antonio drückt sich, wie er kann.


Liebe und Bekehrung

[85] Und kommt gekrochen und verfroren

Zu eines Klosters ernsten Toren.

O Welt, mit uns ist's nun vorbei!

Ihr Weiber, fahrt mir aus dem Sinn!

Du Königin des Himmels sei

Auch meines Herzens Königin.

Salve Regina!
[86]

Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 2, Hamburg 1959, S. 81-87.
Lizenz:
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Der heilige Antonius von Padua.
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