[30] Wie lieb erscheint, wie freundlich winkt
Dem Dichter, der noch etwas hinkt,
Des Dörfleins anspruchloses Bild,
In schlichten Sommerstaub gehüllt.
Hier reitet Jörg, der kleine Knabe,
Auf seinem langen Hakenstabe,
Die Hahnenfeder auf der Mütze,
Kindlich naiv durch eine Pfütze.[30]
Dort mit dem kurzen Schmurgelpfeifchen
Auf seinem trauten Düngerhäufchen
Steht Krischan Bopp und füllt die Luft
Mit seines Krautes Schmeichelduft.
Er blickt nach Rieke Mistelfink,
Ein Mädel sauber, stramm und flink.
Sie reinigt grad den Ziegenstall;
Und Friede waltet überall.[31]
Sofort im ländlichen Logis
Geht Bählamm an die Poesie.
Er schwelgt im Sonnenuntergang,
Er lauscht dem Herdenglockenklang,
Und ahnungsfroh empfindet er's:
Glück auf! Jetzt kommt der erste Vers![32]
Klirrbatsch! Da liegt der Blumentopf.
Es zeigt sich ein gehörnter Kopf,
Das Maulwerk auf, die Augen zu,
Und plärrt posaunenhaft: Ramuh!!
Erschüttert gehen Vers und Reime
Mitsamt dem Kunstwerk aus dem Leime.
Das tut die Macht der rauhen Töne.
Die Sängerin verläßt die Szene.
[33]
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