Sternzauber

[30] Wallst du nieder aus den Weiten,

Nacht, mit deinem Silberkranz?

zieht in deine Ewigkeiten

mich des Dunkels milder Glanz?


Als ob treue Augen winken:

alle Liebe sei enthüllt!

als ob sanfte Grüße sinken:

alle Sehnsucht sei erfüllt –


will ein Stern sich nun entbreiten,

in mein schwimmend Aug' er taucht,

seligste Versunkenheiten

in mein schwellend Herz er haucht.
[30]

Zu ihm heben mich Gewalten,

wie zu mir er sinkt und sinkt;

und ein Quellen, ein Entfalten

seines Scheines mich umschlingt


und entführt mich in die Zeiten,

da noch keine Menschen sahn

dieses Fühlen, dieses Gleiten,

dieses rätselvolle Nahn.

Quelle:
Richard Dehmel: Erlösungen, Stuttgart 1891, S. 30-31.
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