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Wie schön erwacht der Tag! Wie trächtig steht
Von bunten Morgentropfen Laub und Gras!
Wie zeichnet Sined's Fuß den Pfad ins Thal2! –
Willkommen, Thalbach! der du gestern noch
Mir Joseph lispeltest, und o gegrüßt,
Ihr Weiden um den Thalbach! Sonnenhell
Sind schon die Schwestern alle, derer Haupt
Von Bergen rings umher in's Blaue ragt.
Nur unter euren Zweigen brütet noch
Ein nächtlich Kühl und Dämm'rung. Aber bald,
Bald stralet auch auf eu're Niedrigkeit
Der Sonne Blick. Denn was verbirgt sich ihr?
Sie geht, wie Joseph. – Ist es der Durst nach Ruhm,
Ist's Liebe zu dem Volke, zur Arbeit Lust,
Was in des Herrschers hoher Seele
Unüberstimmlicher, als des Himmels
[141]
Vereinte Donner, rufet? – Noch eines ist,
O Sohn Theresen's! eines der Völker ist
Noch unbesuchet, die Dir dienen!
Auf, und besuche die Deinen alle! –
O Durst nach Ruhm! o Liebe zum Volk'; o Lust
Zur Arbeit! ihr, ihr seid es vereinet, ihr,
Die in des Herrschers hoher Seele
Unüberstimmlicher, als des Himmels
Vereinte Donner, rufen! Er höret euch.
Nun bald ist Habsburg's weit sich erstreckendes,
Bewohnerreiches Erb' erschöpfet,
Keine der Gegenden unbesuchet,
Wo Joseph's Mutter herrschet. – Ha seh't ihr ihn,
Den Fernen von den Freuden der Kaiserstadt,
Den Sonnendulder, im Geleite
Weniger Ed'len, auf steilen Höhen,
In unwirthbaren Hainen! Ha seh't ihr ihn
Auf unermeß'nen, dürstenden Flächen itzt,
Itzt unter strohbedeckten Hütten,
Wie er in Mitte des Staubgewölkes
[142]
Die Hände zu den Bitten der Seinen streckt,
Und unermüdlich forschet, und hört, und lernt,
Und Rath und Recht, und Trost und Lohnung,
Wie der Gebieter des Himmels, austheilt!
Betäubet steht, und glaubet dem Auge kaum
Der pelzumgeb'ne Dacier, und der Theil
Der Kinder Lech's, dem itzt Theresien's
Mächtige Fittige wieder schatten.
O Fürst der Fürsten, Kenner des hohen Zweck's,
Nach dem Allvater einst die Gewaltigen
Der Erde richtet! o des hohen,
Aber nicht immer erfüllten Zweckes:
Der Völker wegen da zu sein, Vater, Hirt
Nicht nur zu heißen, aller Gelüste Reiz
Dem Menschenheile nachzusetzen,
Selber zu hören, zu seh'n, zu herrschen!
O Kenner und Erfüller des hohen Zweck's!
Wenn einst vom Herrscherstuhle Dein Aug' umher
Auf Deine Völker schaut, und irgend,
Wie vor der faulenden Pfütze, Nebel.
[143]
Ein Rath voll Eigennutzes, Betruges voll,
Zu dir sich aufzuschwingen es wagen will,
Wie muß er, gleich dem Nebel schwinden,
Wenn ihm dein Eifer entgegenstralet:
»Ich Joseph kenne besser, als du, mein Volk,
Und meine Länder alle. Sie hat mein Aug',
Mein Fuß durchwandert.« Schwinden muß er,
Wie vor der Sonne der Pfütze Nebel.
Beglückte Völker! ihr auch, o Söhne Lech's!
Seit jenes Tages würdig, Theresien's Gut,
Und Joseph's Eigenthum zu heißen,
Da sich vor eurem erhob'nen Arme
In Wien's Gefilden nieder der Roßschweif warf3;
O gebt der Freiheit trügliche Luftgestalt
Für Joseph's und Theresien's Herrschaft,
Viele Gebieter o geb't für Einen!
Und nehm't der Menschheit Rechte, der Sitten Schwung
Und Künste Wissenschaften, und Ordnung, und[144]
Wofür sich Joseph's göttergleiches
Antlitz verbürgte, zu reichem Wucher!
So sang ich, und die Buchen, deren Haupt
Von Bergen rings umher in's Blaue ragt,
Die waren nicht mehr sonnenhell allein,
Die Schwestern um den Thalbach waren's auch
In aller ihrer Niedrigkeit. Und sieh',
Die Morgentropfen, die an Laub und Gras,
Wie reine Tugendthränen, zitterten,
Die hatte schon der milde Stral verzehrt.
1 Nach Siebenbürgen und Polen, 1773.
2 Hinter Dornbach.
3 Beim Entsatze Wien's, 1653.
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