2.

[141] Du verwaistes Haus erfüllst mich mit Graus,

Seit die Liebste mir entfloh;

Ich blicke hinaus in der Wogen Gebraus,

Und mein Herz wird nimmer froh,[141]

Mein treues Herz, dem es nicht gelingt,

Zu denken an neues Glück –

Und die Brandung bringt, und die Brandung bringt

Mir keine Hoffnung zurück.


Nur an dich gedacht, nur für dich gewacht,

Und allein nun in Finsternis!

O tiefe Nacht, seit der Hölle Macht

Dich meinen Armen entriß!

Ich rufe, seit zwischen uns rauscht das Meer,

Ich rufe dich überall;

Doch mein Haus ist leer, doch mein Haus ist leer

Und trostlos der Widerhall.


Ob die Sonne scheint, ob der Himmel weint,

Mich verfolgt dein bleiches Gesicht;

Daß wir innig vereint, du hast es verneint,

Und meine Folter sahst du nicht.

Doch mir, der ich deine Folter sah,

Du verirrtes, verscheuchtes Kind,

Geht nur eines nah, geht nur eines nah:

Daß wir beide verloren sind.

Fußnoten

1 Ein portugiesische unübersetzbares Wort, welches Sehnsucht und, je nach der Stimmung, freudiges oder reuevolles Erinnern bedeutet.


Quelle:
Ludwig Ferdinand Schmid: Dranmor’s Gesammelte Dichtungen, Frauenfeld 41900, S. 141-142.
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