|
[294] 1632 Mai.
Und was ist es fast von Nöten,
daß sich mühen die Poeten,[294]
Bräutgam, um dein Hochzeitfest,
da das junge Jahr in Allen
dir und Deiner zu Gefallen
einen Brauttanz hören läßt?
Der gesunde Mai kommt gangen
in den ganz verblümten Wangen
und verjüngt euch seinen Schein.
Phöbus sendet seine Stralen,
läßt den Platz mit Farben malen
da der erste Reihn soll sein.
Zephyr fleugt mit offnem Munde
und haucht aus dem Blumenschlunde
mancher Blumen liebe Zier.
Aklei, Tulpen und Narzissen
sieht man aus dem Boden sprießen,
den ihr tretet, für und für.
Die gelehrten Nachtigallen
schrein euch zu mit lauten Schallen:
Glück, Glück, Glück, du trautes Paar!
Dir, dir, dir gilt unser Singen,
dem die Täler widerklingen!
ruft des Federpöfels Schaar.
Auf den Feldern, in den Auen
habt ihr eure Lust zu schauen;
Alles schicket sich in euch.
Die verbulten Heerden scherzen,
wenn sie euch sehn sehnlich herzen,
und umfangen sich zugleich.
Daß die Elster heller rauschet,
daß um Bulerinnen tauschet
manches liebes Wasservolk,
daß die Püscher sanfter brausen,
daß die Lüfte linder sausen
und uns trübet keine Wolk':
Alles diß und anders Alles,
was uns wol tut gleiches Falles,
wen wol trifft und geht es an?
Seid nicht ihr's, ihr Liebsten beide,[295]
denen die und andre Freude
blos zur Lust wird angetan?
Ja, ihr seid's! So braucht der Ehren,
die euch Alles hilft vermehren,
was sich freuet weit und breit!
Eilt zur Lust, lauft zu den Tänzen,
weil ihr noch seid in den Lenzen,
euren und des Jahres Zeit.
Norden, Osten, Süd und Westen
blasen den berauschten Gästen
kühle, linde Lüfte zu.
Ihr indessen, weil sie trinken,
laßt die matten Augen sinken
in die angenäme Ruh'!
Wol! Wer will euch das verwehren,
was wir Alle doch begehren?
Geht das sanfte Rasten ein!
Was ihr schlafet, was ihr wachet,
was ihr lachet, was ihr machet,
werden lauter Scherze sein,
solche Scherze, so mit nichten
bloße Scherze sind zu richten,
daß hernach diß sage frei,
warum ihr euch itzt wollt herzen,
daß zugleich in euren Scherzen
Schimpf und Ernst gewesen sei.
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Gedichte
|
Buchempfehlung
Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.
78 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro