49. Auf Herzogen Friedrichs zu Schleswig Holstein u.s.w. Fürstl. Durchlaucht Hochbetrauten Rates und nach Moschkaw und Persien wolfürnehmen Abgesandtens Seinen Namenstag, welcher den 4. Wintermonatstag des 1638. Jahres vor Deutuscha an der Wolgen auf der Rückreise aus Persien gefällig gewesen

[389] Sechsmal, zähl' ich anders recht,

haben die verreiften Saaten

an des Hundssterns Glut gebraten;

sechsmal geußt der Wasserknecht

seinen Krug nun auf die Erden

und läßt Alles Winter werden,


seit wir meisten dieser Schaar

euch, Herr, hin und her nun folgen

und itzt von der sichern Wolgen

überschauen die Gefahr,

die uns neulich und vor längsten

oft besucht' mit tausent Ängsten.


Doch was nützt es um und an

sich mit toten Sorgen quälen

und ihm seinen Haß erzählen?

Gott sei Dank, es ist getan!

Laßt uns itzt mit neuen Freuden

die befreiten Geister weiden!


Auch so bin ich nicht bedacht

euren Ruhm hier zu vermelden,

der von wegen eines Helden

euch so weit so wert gemacht,

daß euch ehret nach dem Besten

Nord und Ost und Süd und Westen.


Solches nichts treibt itzt mein Sin.

Was ihr Treflichs habt erwiesen,

will nicht auf der Flucht gepriesen,

nicht erwähnt sein obenhin.

Würdigs Lob in hohen Sachen,

läßt sich nicht im Reisen machen.
[389]

Uns soll die gehoffte Zeit

zwischen Scherz und Lust verfließen.

Den Tag wollen wir beschließen

in vertrauter Einigkeit

und bei euren reichen Giften

eine neue Freundschaft stiften.


Komus hat den Preis der Kraft,

daß er auch den Zorn der Götter

stilt und sterbt und freundlich Wetter

in der Menschen Herzen schafft,

die sich oft um etwas hassen

und bald bessre Sinnen fassen.


Pfui! wie übel sieht sichs drein,

wo die ungemenschten Tartern

sich mit Zank und Schlägen martern

und bei Unlust lustig sein,

wenn sie in des Libers Gaben

Sin und Witz ersäufet haben!


Jupiter, wie stets ihm auch

die verdamte Welt macht Kummer,

doch so blitzt er nur im Sommer,

und der Löwe hat den Brauch,

daß er leichtlich wird beweget

und nur starke Feinde schläget.


Fördert Gott, so hindert nichts.

Große Zier hat große Feinde.

Doch wer Gott nur hat zu Freunde,

der ist sicher des Gerichts,

das der Rat der leichten Seelen

auf ihn pfleget zu erwählen.


Tugend ist das höchste Gut.

Mißgunst, deine tausent Rachen

sollen Niemand irre machen,

der was Redlichs denkt und tut!

Nichts steht ehrlicher auf Erden

als umsonst getadelt werden.


Blut, das regt und legt sich bald,

welches wohnt in edlen Adern.[390]

Schlechtes Volk hat Lust zu hadern,

Pöfel mißbraucht der Gewalt.

Fürsten nur und großen Sinnen

kommt es zu verzeihenkönnen.


Bacchus zwar, der Fürst der Kost

auf berühmten Gastereien,

wird sich hier mit uns nicht freuen,

weil er scheut des Nordens Frost;

sein Fuß hat in diesen Landen

nie als auf der Post gestanden.


Doch stellt Ceres sich uns ein,

die noch hat des Grolles Zeichen,

daß sie muste Bacchus weichen

und ihn lassen Meister sein.

Dein Rat, Achelous, machet,

daß man ihn hier fast verlachet.


Reußland kocht sein reiches Feld

und brennt eine Kraft aus Körnern,

die, Osiris, deinen Hörnern

Trutz beut und die Wage hält.

Trauben haben große Kräfte,

so doch die Ähren stärkre Säfte.


Über diß steht Hybla hier,

die der Blumen göttlichs Wesen

durch die Bienen ein läßt lesen

und uns vorsetzt eine Zier,

die für Jupiters Getränken

Ganymed pflegt einzuschenken.


Wenn der Eurische Nordost

in die holen Dächer pfeifet,

und es um die Türen reifet,

wenn es dreht und Flocken schloßt,

daß wir fast nicht ohne Grauen

für das kalte Fenster schauen:


denn so ist es mehr als recht,

daß man sich zusammen setzet

und bei warmer Lust ergetzet,

daß man singet, tanzt und zecht[391]

und mehr, wenn wir uns zu laben,

wie anitzo, Ursach' haben.


Itzt zumal, da kein Gott fast

außer Äoln auf der Erden

leichtlich kan gespüret werden.

Alle lieben ihre Rast.

Selbst der Fürst des Tagelichtes

würdigt uns kaum des Gesichtes.


Mars hat ihm Quartier gesucht,

Delie läst Püsch' und Höhen,

Mulciber den Ambos stehen,

Ceres zehrt von ihrer Frucht.

Sie sind Tag für Tag zu Gaste

in Diespiters Palaste.


Venus und ihr kleiner Sohn

sind auf Erden eingefroren,

haben Zeit und Weg verloren

zu der Sternen ihrem Thron

und stehn hier uns anzusinnen,

wo sie mit uns wintern können.


Fangt denn an, Herr, aufzustehn

und laßt Schalen, Schiff' und Trauben

recht auf Holsteins guten Glauben

rund um unser' Tafel gehn,

bis nicht Einen mehr wird dürsten!

Auf Gesundheit unsers Fürsten!

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 389-392.
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