Wie Alf und Erek erschlagen wurden

[389] In kühler Morgenstunde, da der junge Tag

Mit rosenroten Wangen noch auf den Bergen lag,

Da war auf Alfheims Heide gewalt'ger Schall erwacht;

Von Alfs und Sigurds Mannen begonnen wurde die Schlacht.


Unter Rosseshufen erzitterte der Grund,

Die Helmbüsche wallten, die Fähnlein flogen bunt;

Hei, wie die Splitter stoben, wie krachten Stang' und Spieß,

Wenn blank in Erz gerüstet Geschwader auf Geschwader stieß!


Hell auf Schild und Panzer der Schwerter Schlag erscholl,

Der Pfeilhagel klirrte; als wie aus Brünnlein quoll

Das rote Blut dazwischen. Sie rangen Mann an Mann,

Daß hoch der Staub in Wolken daherzuziehn begann.


Auf ehernem Streitwagen König Sigurd stand

In lichtem Stahlgeschmeide. Er führte beiderhand

Einen Flambergen, des Klinge flammte gut;

Es hatten sie die Zwergen gehärtet einst in Drachenblut.


Er trug auf seinem Helme Geiers Haupt und Klaun,

Aus klarem Gold getrieben, hellblitzend anzuschaun;

Durch die Feldschlacht führt' ihn der windschnelle Huf

Seiner schwarzen Hengste, die lenkt' er mit dem Ruf.


Dem Könige zur Seite ritt sein starker Sohn,

Ragnar, der Vielgrimme. Bärtig war er schon

Und war noch fast ein Knabe; das Fechten dünkt' ihm Spiel,

Er sang darein und lachte, wenn schwer sein Hammer niederfiel.


Er sang: »Wohl auf der Walstatt steht ein Rosenhag,

Da ein Mannesherze mit Wonne pflücken mag.

Geöffnet sind die Türen zu Walhalls Heldenruh':

Wohlauf, ihr Walküren, ich trink' euch manchen Becher zu.«[390]


Wo der Schlacht Getose am lautesten erscholl,

Da suchten sie die Pfade; es wurden Blutes voll

Des Streitwagens Räder. So drangen sie heran

Auf die Alfheimsrecken, die Waffen schufen Bahn.


Da Herr Alf im Barte Sigurd Ring ersah

Mit dem Goldhelme, zu Erek sprach er da:

»Den Geier seh' ich fliegen, der solche Not gebracht

Auf unser weißes Täublein; nun gilt es kühne Jagd!«


Mit gehobner Klinge den König lief er an;

Hei, was es aus den Brünnen zu stäuben da begann

Von feuerroten Funken! Das ward ein harter Streit;

Herr Alf gedachte zu rächen den Tod der süßen Maid.


An Sigurds Panzerringen eine Lücke nahm er wahr,

Hinein wollt' er stoßen. Da traf ihm schnell Ragnar

Mit dem Streithammer die Schläfe zornesvoll,

Daß er rasselnd stürzte. Sein blonder Bart von Blute quoll;


Es brach sein grollend Auge, der Odem ihm verging.

Über seine Leiche hinweg fuhr König Ring,

Den Streitwagen lenkt' er auf Erek Harfenschall,

Der hatte wohl gewahret seines Bruders Fall.


Er hob sich in den Bügeln, die Lanze schwer und scharf

Nach dem Geierhelme mit Rachemut er warf;

Da bog der König seitwärts, daß durch den Mantel nur

Über seiner Schulter das Speereisen fuhr.


Ingrimmig auf den Schleuderer er trieb das Roßgespann,

Bis er ihn konnt' erreichen. Mit beiden Händen dann

Schwang er sein Gewaffen, das blitzt' im Sonnenlicht

Als wie ein gülden Feuer, doch seinen Mann erlegt' er nicht.


Des Flambergs Schneide durch Ereks Zäume schoß

In des Pferdes Nacken. Da bäumte sich das Roß

Von übergroßem Schmerze und stieg mit steilem Bug,

Daß hinterrücks der Reiter zu Boden niederschlug.[391]


Sein Fuß blieb in dem Bügel. Übers Schlachtgefild

Ward er so geschleifet von dem Hengste wild,

Sein lichtbraun Haar im Staube, der Züge Lieblichkeit

Verstellt vom jachen Tode. Das war zu mancher Jungfrau Leid.


Da die Alfheims-Mannen den Recken fallen sahn,

Zu weichen sie begannen. Da stob es auf den Plan

Bald von Waffenlosen; es wälzte sich die Flucht

Hinauf zu den Bergen, hinab zur Meeresbucht.


König Sigurd schaut' es, da stieß er freudevoll

In sein silbern Hüfthorn, daß über Feld es scholl;

Zuhauf rief er die Kämpen, sie kamen wohlgemut.

Wie war da mancher Panzer besprengt mit rotem Blut!


Mit frohen Augen grüßte der König Mann für Mann

Und hieß am Strand sie lagern. Zum Sohn sprach er dann:

»Du führtest gut das Eisen, Ragnar, du junger Leu,

Nun sollst du mir erweisen in süßerm Dienste deine Treu.


Das Feld ist gewonnen, der Feind ist entflohn,

Nun bringe mir Alfsonnen, den schönen Siegeslohn!

Hochzeit will ich halten noch heute mit der Maid;

Wer achtzig Sommer schaute, der hat nicht Wartens Zeit.«

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 389-392.
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