Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich

[239] (Römer 8)


1.

Ist Gott für mich, so trete

Gleich alles wider mich,

So oft ich ruf und bete,

Weicht alles hinter sich.

Hab ich das Haupt zum Freunde

Und bin geliebt bei Gott,

Was kann mir tun der Feinde

Und Widersacher Rott?


2.

Nun weiß und glaub ich feste,

Ich rühms auch ohne Scheu,

Daß Gott, der Höchst und Beste,

Mir gänzlich günstig sei,[239]

Und daß in allen Fällen

Er mir zur Rechten steh

Und dämpfe Sturm und Wellen

Und was mir bringet Weh.


3.

Der Grund, da ich mich gründe,

Ist Christus und sein Blut,

Das machet, daß ich finde

Das ewge wahre Gut.

An mir und meinem Leben

Ist nichts auf dieser Erd,

Was Christus mir gegeben,

Das ist der Liebe wert.


4.

Mein Jesus ist mein Ehre,

Mein Glanz und schönes Licht,

Wenn der nicht in mir wäre,

So dürft und könnt ich nicht

Vor Gottes Augen stehen

Und vor dem Sternensitz,

Ich müßte stracks vergehen

Wie Wachs in Feuers Hitz.


5.

Der, der hat ausgelöschet

Was mit sich führt den Tod,

Der ists, der mich rein wäschet,

Macht schneeweiß, was ist rot.

In ihm kann ich mich freuen,

Hab einen Heldenmut,

Darf kein Gerichte scheuen,

Wie sonst ein Sünder tut.


6.

Nichts, nichts kann mich verdammen,

Nichts nimmet mir mein Herz,

Die Höll und ihre Flammen,[240]

Die sind mir nur ein Scherz.

Kein Urteil mich erschrecket,

Kein Unheil mich betrübt,

Weil mich mit Flügeln decket

Mein Heiland, der mich liebt.


7.

Sein Geist wohnt mir im Herzen,

Regiert mir meinen Sinn,

Vertreibet Sorg und Schmerzen,

Nimmt allen Kummer hin,

Gibt Segen und Gedeihen

Dem, was er in mir schafft,

Hilft mir das Abba schreien

Aus aller meiner Kraft.


8.

Und wenn an meinem Orte

Sich Furcht und Schrecken findt,

So seufzt und spricht er Worte,

Die unaussprechlich sind

Mir zwar und meinem Munde,

Gott aber wohlbewußt,

Der an des Herzens Grunde

Ersiehet seine Lust.


9.

Sein Geist spricht meinem Geiste

Manch süßes Trostwort zu:

Wie Gott dem Hilfe leiste,

Der bei ihm suchet Ruh,

Und wie er hab erbauet

Ein neue edle Stadt,

Da Aug und Herze schauet

Was es geglaubet hat.


10.

Da ist mein Teil und Erbe

Mir prächtig zugericht't;[241]

Wenn ich gleich fall und sterbe,

Fällt doch mein Himmel nicht.

Muß ich auch gleich hier feuchten

Mit Tränen meine Zeit,

Mein Jesus und sein Leuchten

Durchsüßet alles Leid.


11.

Wer sich mit dem verbindet,

Den Satan fleucht und haßt,

Der wird verfolgt und findet

Ein hohe schwere Last

Zu leiden und zu tragen,

Gerät in Hohn und Spott;

Das Kreuz und alle Plagen,

Die sind sein täglich Brot.


12.

Das ist mir nicht verborgen,

Doch bin ich unverzagt,

Gott will ihn lassen sorgen,

Dem ich mich zugesagt.

Es kostet Leib und Leben

Und alles, was ich hab:

An dir will ich fest kleben

Und nimmer lassen ab.


13.

Die Welt, die mag zerbrechen,

Du stehst mir ewiglich,

Kein Brennen, Hauen, Stechen

Soll trennen mich und dich.

Kein Hunger und kein Dürsten,

Kein Armut, keine Pein,

Kein Zorn der großen Fürsten

Soll mir ein Hindrung sein.


14.

Kein Engel, keine Freuden,

Kein Thron, kein Herrlichkeit,[242]

Kein Lieben und kein Leiden,

Kein Angst und Fährlichkeit,

Was man nur kann erdenken,

Es sei klein oder groß,

Der keines soll mich lenken

Aus deinem Arm und Schoß.


15.

Mein Herze geht in Springen

Und kann nicht traurig sein,

Ist voller Freud und Singen,

Sieht lauter Sonnenschein.

Die Sonne, die mir lachet,

Ist mein Herr Jesus Christ,

Das, was mich singen machet,

Ist, was im Himmel ist.

Quelle:
Paul Gerhardt: Dichtungen und Schriften, München 1957, S. 239-243.
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