Am Feste des H. Brunonis

[307] Epistel Sir. XXXI. v. 8-11.


Text


Wohl diesem, deßen mäßig Herz

Vor Gott bey Reichthum tauget

Und deßen Golddurst nicht den Schweiß

Verarmter Wittwen sauget.

Wo wird ein Mann hierin bewährt

Und ohne Fleck erfunden?

Es wird ihm von der Billigkeit

Ein Ehrenkranz gewunden.


Er konte manchem Schaden thun

Und hat es unterlaßen,

Das Unrecht schlich ihm heimlich nach,

Doch kont es ihn nicht faßen.

Drum muß sein Gut auch stets bestehn,

Da seiner Wohlthat Gaben

Den Nachruhm aller Heiligen

Zum Zeugnüß ewig haben.


Lehre


O unglücksvolle Fröhligkeit,

Die blos vom Geld entspringet

Und die ein niederträchtig Herz

Ans Joch des Geizes zwinget!

Wo dieser Satan wohnt und herrscht,

Da liegt der Fluch im Kasten

Und läst den stets gefangnen Geist

Von Unrecht niemahls rasten.


Begehrt man einen großen Schaz,

So gebe man den Armen,

Der Sünde steuret nichts so sehr

Als Lieben und Erbarmen.[308]

Ein Scherf, der ihren Wuntsch verdient,

Geht über Gold und Cronen,

Worunter Furcht, Gefahr und Last

Bey Pracht und Hoheit wohnen.


Gewönn ein Mensch die ganze Welt,

Was hülf es sein Gewißen,

Wofern er sich nicht stets dabey

Der Mäßigkeit beflißen.

Ihr, die ihr glücklich wuchern wollt,

Ach, wuchert mit der Liebe,

Wo nicht, so wist, daß euer Gut

Wie Spreu und Staub zerstiebe.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Leipzig 1931, S. 307-309.
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