[65] Sie erkandten alsobald/ daß die ersten Zweye/ Myrtillo und Leria/ ihre Gedächtnis/ (als welche ihr Glükk und Geschikke vor etlichen Monaten anderswohin geruffen/) solcher gestalt würden hinterlassen haben/ der dritte aber/ Alcidor/ vielleicht ihnē zur Folge/ das seinige beygesetzet. Daher sie sämtlich beschlossen/ ein jeder auch das seinige beyzutragen: Gestaltsam sie es sobald an eben selbigem Baum zu Werk richteten/wie folget:
Strephon – das Mayenblümlein.
Wo des Schattens Fittich schwebet1
Ob der Auen Sommerkleid/ weinet zu der Winterszeit
Was in diesen Triften lebet:
Vnsrer Nymphen Wangen giessen/
Trehnen/ gleich dem Bergkrystall/ und von solcher Zehren Fall2
Sieht man diese Blum entspriessen.
In dem stoltzen Blumengarten
Findet man dergleichen nicht/ darüm hält dich mein Gedicht
Höher als die andren Arten.
Majenblümlein deine Glokken
Sind zerspaltnen Perlen gleich/ der sich untersteht/ entweich/
Eins von diesen abzupflokken.
Montano – die Feldnäglein.
Der Nelken Purpurkleid erfreut der Augen Liecht/3
Ihr Ruch bestärkt das Haubt/ ihr Saft den Gift verjaget:
So redt der Freuden-Sinn auch aus dem Angesicht/
Es schärfet den Verstand die Tugend wo sie taget/[65]
Der Laster Schlangengifft kränkt Tugendhertzen nicht.
Die Blum beliebet mir/ die meinen Namen saget/
Die Berg- und Hügelblum/ von Strephon zuerkennt:
Blum und mein Ordensband mich den Montano4 nennt.
Klajus – der Klee.
Wie der Bokkgefüste Pan dieses Gantze deutet an
Welt und See/
Feld und Klee/
Alles5/ was man nennen kan:
Also/ was ein Dichter kan/ ist diß Gantze üm und an
Glut und Luft
Fluht und Gruft
und der Horngefüste Pan.
Weil der hufgefüste Pan Klee mit Tritten pflantzen kan/
Nimt mit Ruhm
Klee zur Blum
Vnser Schäfer Klajus an.
Floridan – die Sammetblum.
Wann die Nymphen sich ergötzen/ und sie etwan in dem Hetzen
Ritzet ein ergrimmtes Tiehr/
Machet/ was der Ritz gegossen/ Sammetblumen fürherschossen:
Diese Blum behaget mir.
Felder pflegen auch zu prachten/
Die der Blumen Sammet stikkt/ und der Perlentau erqwikkt/
Weide neiden die Smaragden/
Dort der Bäche Silber-wall
Kreuchet nächst den Gold-kleepfaden/ und die Fluht an den Gestaden/
Waltzet uns den Berg-Krystall.
Drüm wird niemand uns verdenken/
Daß wir uns den Hürden schenken.
1 Von diesem s. ob. Bl. 32.
2 Wasser/ das aus dem Berg quillt.
3 Achtgebände Huictain. Sihe H. Schot. Reimen.
4 à monte. vom Berge.
5 τὸ πᾶν/ Alles/ weil Pan dieses Gantze bedeuten soll. Verulam.
Buchempfehlung
Das 1900 entstandene Schauspiel zeichnet das Leben der drei Schwestern Olga, Mascha und Irina nach, die nach dem Tode des Vaters gemeinsam mit ihrem Bruder Andrej in der russischen Provinz leben. Natascha, die Frau Andrejs, drängt die Schwestern nach und nach aus dem eigenen Hause.
64 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro