[20] Von der Christlichen Vollkommenheit, welche durch den Trieb deß Heiligen Geistes beschihet.
Nach der Stimme: Nun lob, mein Seel, den Herren, usw.
1.
Wer seine Schwachheit liebet
Und alle Schuld damit beschönt,
Gefährlichst sich betrübet
Und niemals recht mit Gott versöhnt.
Er hat die HimmelsStrassen
Noch nie getretten an,
Sein Hertz hat GOTT verlassen,
Weil er nur böß gethan.
Dann Sünd und Unrecht meiden
Ist hier der erste Schritt;
Bald man mit HertzensFreuden
Der Tugend Weg betritt.
2.
Wann nun deß Glaubens Kertze
Und Gottes wehrter Heilger Geist
Beleucht das reine Hertze
Und es in alle Warheit weist,
So folgt ein frommes Leben,
Daß man aus freyem Muth
Deß Höchsten Huld ergeben
Der Liebe Werke thut.
Das Kind wird auch vollkommen,
Wie GOTT, sein Vater, ist,
Entfliehend mit den Frommen
Der Welte Trug und List.
3.
Der Baum ist zu bemerken
An seiner Aeste guten Frucht,
Gleichwie man an den Werken
Erkennt der waaren Christen Zucht.
Es bringt verlangte Freuden
Deß Glaubens Wurtzel Safft;
Vollkommen durch das Leiden
Bewärt deß Geistes Krafft.
Wer GOTTES Wort betrachtet
Und seine Macht erkennt,
Der wird gerecht geachtet
Und GOTTES Kind genennt.
4.
In allen guten Werken
Vollkommen durch der Liebe Band
Macht in sich selbst bemerken
Der Seelen Engelreinen Stand;
Die Freud' in dem Gewissen
Ist ein vergnügtes Seelenmahl,
Dabey man kan geniessen
Zufriedenheit ohn Ziel und Zahl.
Vollkommen wird erst werden
Ein Gott beliebter Christ,
Wenn er der Mutter Erden
Im Tod' ergeben ist.
Buchempfehlung
Libretto zu der Oper von Anton Schweitzer, die 1773 in Weimar uraufgeführt wurde.
38 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro