(CLXX.)

Die seltnen Betrügere.

[608] Gleich wie jene vermittelst der Spiegel in andre Zimmer / ja in die ferne und über Land / sehen können /also hette man wol Spiegel vonnöhten / in welchen man die Betrüger ersehen / und sich vor denselben hüten möchte. Was jener von der Eitelkeit gesagt /das könte man auch hiervon sagen: thut man allen Betrug aus der Welt / so wird wenig überbleiben. Von vorsetzlichen Land- und Leut-Betrügern wollen wir etliche auf diesen Schauplatz führen / nicht denselben nach zu ahmen / sondern sich dafür zu hüten.

2. Margarita / Johann Ulmers eines Bürgers zu Eslingen in dem Würtenbůrgerland / Tochter / hatte in kurtzer Zeit ein groß aufgeschwollen Leib / und klagte / daß allerhand lebendige Thiere sich in ihr hören liessen / massen man auch deutlich vernommen / den Haanen krehen / das Schwein gruntzen / den Hund beulen / das Schaf blecken / ja den Ochsen brüllen /das Pferd wieren etc. und klagte also grossen Schmertzen. Zu zeiten zoge sie aus den Lenden Schlangen und Eidexen / und derselben bey 150. Viel Leute sind zugelauffen diese seltne Sache zu sehen /und wurden die Eltern von der Obrigkeit aus Mitleiden befragt / ob sie wolten geschehen lassen / daß die[608] Wundärtzte ihrer Tochter Leib eröffneten und ihr von solchen Schmertzen helffen. Der Vater war ein einfäliger Mann / der sagte ja darzu: die Mutter aber welche üm den Betrug wuste / wolte nicht einwilligen.

3. Dieser wärte vier gantzer Jahre / und wurde niemand deß Betrugs einträchtig / und wolte ihr diese kranke nicht helffen lassen / weil sie dardurch grosses Almosen bekame. Die Obrigkeit aber schickte einen Doctor / 3. Wundärtzte und eine Hebamme / die Kranke zu besuchen / und sie auch wieder ihren Willen zubesichtigen / da sich dann befunden / daß ihr Leib von Holtzwerk einen Schwinbogen / und unter demselben Pfeifflein und Röhrlein / auf welchen /nach ihrem Vorgeben der böse Feind sein Spiel gehabt. Dieses alles zoge die Hebamme hervor / und fande sich / daß die Dirne war wie ein andres Weibsbild. Die Mutter wurde wegen deß Betrugs gehenkt und verbrennt / die Tochter zu ewiger Gefängnis verurtheilt / und der unschuldige Vater loß gelassen. Lyosthenes de prodigiis f. 518.

4. Anton ein Spanischer Augustiner Mönicht / ist in seinem Leben fůr Heilig gehalten worden / weil er von sich glauben machen / er habe 40. Tage und 40. Nächte gefasstet: Er hatte aber viel grosse Liechter von weissen Wax / unter welchen etliche von Marcepan und überzuckert: darvon er sich zu Nachts gespeiset und hatte einen dicken holen Strick ům den Leib / in welchem ein Schlauch mit Spanischen Wein gefüllet / und also machte er von sich glauben / er würde von den Engeln gespeiset.

5. Als er aber in eine schmertzliche Krankheit gefallen / in welcher er von den Würmen lebendig gefressen und verzehret wurde / ist seine Schalkheit an den Tag gekommen / und hat er viel Lästerwort wider Gott und alle Heiligen ausgestossen / und ist also in Verzweifflung dahin gestorben / daß er den Lohn aller Heuchler gewißlich wird empfangen haben: Ant. de Palermo von Alphonsi Leben l. 2. c. 9.

6. Bey Tholuse hielte sich in einem Stättlein[609] wonhafft Martin Guerre / welcher mit Bertrande Rosili zehen oder eilff Jahre ehlich gelebet / und auf eine zeit sich mit seinem Weib entzweyt / daß er sie verlassen /und dem Krieg in Hispanien nachgezogen / da er sich bey 12. Jahren aufgehalten / biß er für S. Quintin einen Fuß / durch einen Schuß verlohren. Als aber 8. gantzer Jahre verflossen / und sein Weib keine Zeitung von ihm vernommen / hat sich bey ihr angegeben Arnold Tillier aus der Grafschafft de Foix bůrtig /welcher wegen der Schwartzkünstlerey sehr verdächtig war. Dieser gabe sich für ihren Mann Martin Guerre dar / und war demselben in allen sehr gleich.

7. Das Weib wil ihn anfangs nicht erkennen: nach dem er ihr aber alle Umstände saget / was sie die erste Nacht ihrer Hochzeit mit einander geredt / was er in Truen verborgen hinterlassen / und andre Sachen / die Niemand als ihr Mann wissen können / hat so wol sie / als seine Schwestern und alle Freunde ihn für den rechten Martin Guerre erkant / und angenommen /und mit ihm vier Jahre ohne Argwahn einigen falsches gehauset. Wegen etlicher ungefähren Worte aber / so dieser Betrüger schiessen lassen / hat sie angefangen an seiner Person zu zweiffeln / und auf Gutachten ihres Vettern Peter Guerre ihn nicht mehr zulassen / sondern auch für Gericht als einen Betrüger angeklaget. Zu Rieux / dahin das Stättlein gerichtbar /wurde er zum Tod verdammet / von welchem Urtheil er die Sache an das Obergericht nach Tholuse gebracht.

8. Er erzehlte alles was zwischen ihme und Bertrande heimlich vorgegangen / er nennete alle ihre Hochzeit Gäste / wie man ihnen die Nestel geknüpfet / daß er mit seinem Weibe acht gantzer Jahre nicht zuhalten können / und wie er vermittelst eines alten Weibs wieder zu recht gekommen. Wie er mit ihr ein Kind erzeuget / wann / wo / von wem solches getauffet / und aus der Tauffe erhoben worden / und dieses alles muste Bertrande bejaen und wahr sagen. Er erzehlte die Ursachen seines Abschieds[610] und was ihme in seiner Abwesenheit begegnet / etc.

9. Es machet aber diese Geschichte noch wunderbarlicher daß dieser Tillier mit dem Martin Guerre niemals bekant gewesen / und waren unter andern Anzeichen deß Leibes ein doppelter Zahn / ein eingedruckter Nagel in der rechten Hand an dem kleinen Finger / und ein rotes Flecklein bey dem linken Aug /daß er auch etlicher massen seinen Schwestern gleich gesehen / welche ihn für ihren Bruder beständig erkennet. Wieder ihn war ein Soldat der bezeuget /Martin Guerre hette ein Bein verlohrē. Ein Wirth sagte aus / daß dieser Tillier heisse / und ihn gebetten habe seinem Namen nicht zu nennen / und sein vermeinter Vetter Peter Guerre / ermahnte ihn / daß er Gott die Ehre geben und die Warheit bekennen solte.

10. Tillier antwortete / daß dieses alles Trügerey /und daß die falschen Zeugen angestellet / damit Peter Guerre / von welchem er Rechnung wegen seiner Güter Verwaltung erfordert / kein Geld heraus geben dörffe / und daß sein Weib zu dieser Schalkheit helffe / weil sie eine böse Ehe mit einander gehabt. Ja die Richter wurden noch mehr zweifflend / als er die Sache seinem Weib auf einen leiblichen Eid geben wollen / wann sie nemlich zu Gott schweren würde /daß er nicht ihr rechter Ehemann / so wolle er das Leben verlohren haben. Hierauf wolte Bertranda nicht schweren / und kame samt ihren Vettern Peter Guerre in Verhafft.

11. In deme nun diese Sache rechthängig schwebet / kommt der rechte Martin Guerre wieder nach Hause / und wird von allen also bald erkannt. Man sihet diese beede gegen einander / und fande sich fast kein unterscheid. Bertranda und der Vetter ersahen also bald den rechten / und hatte er / wie der Soldat ausgesagt / einen höltzernen Fuß. Das Weib bate üm Verzeihung / daß sie unwissend einen andern zu gelassen: darmit war aber Martin nicht zu frieden / sagend daß unmöglich / daß ein Eheweib nicht einen Mann für den andern erkennen solte / und[611] eiferte sehr darüber /welches dem Richter auch ein gewisses Anzeichen der Warheit.

12. Endlich ist Arnold Tillier für einen Betrüger und Zauberer erkannt und zum Strang und Feuer verdammet worden. Vor seinem Tod hat er die Warheit bekennet / welche aus seinem Munde beschrieben M. Iean Corras IC. und wird auch erzehlet von E Pasquier l. 5. de recherobes ch. 19.


Der Betrug

ist ihm selbsten Plag genug.

Allezeit

ist die Furcht in dem Gewissen /

welche Hertz und Sinn durchbissen /

daß stets büssend leben müssen

die bereit

in deß Satans Striken henken

böses denken.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 608-612.
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