(CLXXVIII.)
Das erschreckliche Gespenst.

[294] Der Satan wird von Esaia1 mit einer Axt / einer Segen und einer Ruten verglichen / weil durch ihn / wie es der alte Kirchenlehrer Hieronymus außleget / die unfruchtbaren Bäumen abgehauen / die hartneckigen zerstucket / und die bösen Kinder / als mit einer Ruten gestäupet werden. Er wird auch genennet / ein alte listige Schlange2 / ein brüllender Löw / welcher herumgehet / uns zu verschlingen3: Wann nun der Löw brüllet / wer wolte sich nicht fürchten4 und erschrecken? So gar / daß solcher Schrecken etlichen zum Tod / etlichen aber zur Besserung ihres Lebens gereicht / wie aus nachfolgender Erzehlung zu vernehmen seyn wird.

2. Im Jahr 1631. hat sich zu Paris begeben / daß ein erschreckliches Gespenst in eines Sachwalters oder Procurators Hause erschienen / und bald die Knechte / bald die Mägde erschrecket. Weil nun solche Gespenster zu zeiten Geiste / die Fleisch und Blut haben / und vielmals die Mägde von solchen Geistern besessen / schwanger werden / wolte dieser Alte nit glauben / daß die Sache sich angegebener massen verhielte.[294]

3. Das Gespenst liesse sich meinsten theils in deß Schreibers Schreibkammer sehen / und jagte sie vielmals aus dem Bette / deßwegen ihr Herr sie schalte / und wolte eine Nacht in der Kammer liegen / wiewol sein furchtsames Weib ihn mit vielen Flehen darvon abmahnte. Er bestelte Liechter / geistliche Bücher / und liesse die andren Haußgenossen / in der obern Kammer wachen / daß sie ihm auf allen Fall zu Hülffe kommen könten / deßwegen er auch eine Glocken zu sich genommen.

4. Um Mitternacht kam das Gespenst hinein / mit einem langen Rocke angethan / wie er zu tragen pflegte / aber viel grösser / als sonsten eine Mannsperson. Das Angesicht war abscheulich / der Bart lang und grau / die Augen wie Feuerflammen / darüber der Alte so sehr erschrocken / daß er gleichsam ohne Regung und Bewegung / noch schreyen / noch seinem Gesinde einiges Zeichen geben können.

5. Das Gespenst spatzieret in dem Zimmer auf und ab / gehet für das Bett / und nimmet das Liecht von dem Haubtküsse / setzt es auf den Tisch / machet ein Buch auf und lieset darauß ein erschreckliches Geplärr / daß der alte Mann für Fürchten sterben mögen / und sich so wenig beweget / als ein Marmolbild: Nachdem nun dieses ein weil gewäret / und das Gespenst sich zu der Thür nahet / reicht der Alte die Hand zu der Glocken / und giebet seinem Gesinde das Zeichen abgeredter massen. Als dieses beschehen / kehrt das Gespenst wieder um / nimmet den Leuchter / wirfft ihn auf die Erden / leschet also das Liecht auß / stürtzt den Tisch um / fängt ein solches Gepolder an / als ob das Hauß zu drümmern gehen solte.

6. Die Frau / Schreiber und Mägde lauffen zu / finden aber ihren Herrn halb todt für Furchten und warten der Dinge die noch kommen solten. Endlich kommet er zu sich selbsten / und sihet nit anderst auß / als wie der auferweckte Lazarus. Nach diesem hat er noch zwey Jahr gelebt / die meiste Zeit aber das Fieber gehabt / und ein solches Hertzklopfen[295] und stettige Traurigkeit / daß er für lebendig todt zu halten gewesen / weil er seinem Beruff nit mehr fürstehen / und meinsten theils zu Bette liegen můssen. Dieses ist eine Warnung / daß sich keiner soll gelüsten lassen / die Geister unnd Gespenster zu sehen.

7. Ein Student zu Magdeburg hatte ihm eine Bulschafft auf einen Dorff in der Nähe angestellet / und als er auf einem Abend dahin gehen wil / verirret er sich / und kommet auf eines Edelmanns Schloß / der ihm wol bekannt war / und spricht alldar von der Nacht überfallen / um eine Nachtherberge ein. Der Edelmann empfäht ihn freundlich / lässet auftragen was das Hauß vermag / und beleitet ihn nach der Mahlzeit in eine Schlafkammer / welche nechst einem grossen Saal ware.

8. Der Student legte sich zu Bette / und hörte kurtze Zeit hernach eine Music / dann einen Tantz und eine sehr fröliche Gesellschafft. Als dieses ein wenig still worden / kommen zween mit Windliechtern / und eröffneten die Kammer / daß zwischen ihnen hinein kame eine adelich bekleidte Jungfrau und ein altes Weib mit einen Leuchter. Die Diener tratten ab / das alte Weib ziehet diese Braut auß / und gehet mit dem Liecht wider darvon. Der Student sahe dieses alles mit grossen Furchten an / und schaurte ihm die Haut noch mehr / aber als diese Braut sich zu ihm in das Bette legte / und zu ihm schmoge / daß er biß zu dem Ende deß Bettes weichen muste.

9. Gegen dem Tag kommet die alte wieder / kleidet die Braut an / und gehen diese beede aus der Kammer. Dieser Student war in der H. Schrifft wol belesen / und verhoffte mit der Zeit ein Pfarrer zu werden / hat aber bekennet / daß ihm in dieser Angst nit ein einiger Spruch Göttliches Worts beyfallen wollen / daß er also wahr befunden / was Tobias sagt / daß die in Unzucht leben / und nach deß fleisches Lusten wandlen / in deß Teuffels Mächten sind. Dieses solte billich allen Huren-Hengsten eine dienliche Warnung seyn.

10. Zu Ulmenfeld hat sich ein Student aufgehalten / der zu verbotnen Künsten grossen Lust getragen / und auf eine Zeit[296] ein Zauberbuch zuhanden bekommen / darinnen er so viel gelesen daß der böse Geist zu ihm gekommen / und ihm versprochen / alles was er wünschen und verlangen möge. Der Student sagte / daß er wol auf dem Mantel in Griechenland fahren möchte / er soll ihm aber inzwischen eine Prob thun / und ihn um das Kloster herum in den Lüfften führen / daß er dieses Postpferds gewohnen möchte. Solches thut der böse Geist / mit deß Studenten grossen Vergnügen.

11. Hierauff fordert der Satan von dem fürwitzigen Gesellen eine Handschrifft / in welcher er ihme seine Seele verschrieben / diese fertigte er auch auß / und einer seiner Stuben-Gesellen sagt solches seinem Lehrmeister Michael Neander an / der den Studenten so bald erfordert / und ihn wegen dieses Abfalls von Gott befraget. Der Student erzehlet den gantzen Verlauf / und händigt auch dem Neander die Handschrifft ein / wie er begehret. Nachdem nun dieser Hellenmohr ihm wieder um die Verschreibung zuspricht / sagt er / daß er solche seinem Lehrmeister einantworten müssen / bey deme er sie abholen könne.

12. Dieser Meinung erschiene der böse Geist / in Gestalt eines Drachen dem Neander / unnd heischte von ihm die Handschrifft. Der gute Mann erschracke vor diesem Ungeheur / unnd weil die Handschrifft in seine Bibel zu dem Spruch: Deß Weibes Saamen soll der Schlangen den Kopff zutretten / geleget / sagte er ihm / er solte die Verschreibung / wann er darzu fug und recht habe / nehmen / dieses wolte und konte der ohnmächtige Geist nicht thun / und muste den Gottseligen Mann nach bedräulichem Wortwechsel mit Frieden / und die Handschrifft liegen lassen. Der Student wurde auch solches mahl wieder zurecht gebracht / hat sich aber hernach zu Leipzig wieder auf solche Händel begeben / die kein gutes Ende nehmen können.

1

c. 10. 15. 16.

2

Offenb. 12. 9.

3

1. Petr. 5. 6.

4

Amos 3. 8.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 294-297.
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