Zum 2. September

[181] [181] Vieltausend Männer und Knaben,

Vieltausend, Schaar bei Schaar,

Begraben, begraben, begraben

An Mosel, Maas und Saar!

O, der Wittwen und der Waisen

O, der armen Eltern nun!

Und immer noch darf das Eisen

Das blutige, nicht ruhn.

Ferdinand Freiligrath[182]


O Tag, an dem in leuchtender Wehr

Noch immer schwarzweissroth

Die deutsche Flagge von Fels zu Meer

Nord-, ost- und westwärts loht:

In Einigkeit verbunden

Durch die heilige Schaar, die an Dir verblich,

O Tag voll Blut und Wunden,

Wir grüssen Dich! Wir grüssen Dich!


Denn oft noch wird Dein Morgenwind

Durch die Reiser an unsern Helmen wehn

Und manche Mutter mit ihrem Kind

Lautweinend am Wegrand stehn.

Nur Waffen hört man schmieden

Vom Bodensee bis an den Belt;

Den Traum vom ewigen Frieden,

Lügen straft ihn die heutige Welt![183]


Die Zeit, die Eisen und Blut verschweisst,

Wir ahnen sie längst vor den Thüren stehn:

Die Trommel, die wirbelnd die Luft zerreisst,

Kann schon morgen durch unsere Reihen gehn.

Dann werden auf deutschem Herde

Die alten Gluten noch einmal glühn

Und roth auf französischer Erde

Um junge Gräber Rosen blühn.


Nicht die Welt zu knechten ist unsre Begier,

Brandfackeln zu werfen in fremdes Glück:

Ein schwäbischer Bauer ist kein Baschkir

Und ein pommerscher Landwehrmann kein Kalmück!

Was thut's, wenn der Ruhm unsre Siege

Auf seine thönernen Tafeln schreibt?

Sie gelten dem Weib an der Wiege

Und dem Schäfer, der seine Schafe treibt!


Doch weh, wenn die Kraft, die einst Kronen zerbrach,

Nicht länger mehr unsre Schwerter umsprüht

Und die alte Zeit der alten Schmach

In unsre Stirnen ihr Schandmahl glüht!

Wenn Franzosen, Russen und Czechen

Ihre Fangarme um unser Land gekrallt –

Doch schon zu denken daran, ist Verbrechen,

Nach blitzt ja die Wacht auf dem Niederwald![184]


Drum, Du Tag, an dem in leuchtender Wehr

Noch immer schwarzweissroth

Die deutsche Flagge von Fels zu Meer

Nord-, ost- und westwärts loht:

In Einigkeit verbunden

Durch die heilige Schaar, die an Dir verblich,

O Tag voll Blut und Wunden,

Wir grüssen Dich! Wir grüssen Dich![185]


Quelle:
Arno Holz: Buch der Zeit. Berlin 21892, S. 181-187.
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