Er lauscht einem Vögelgin

[134] Ode Trochaica.


Nun ein blendend blauer Himmel

wihder über Tellus hängt/

dran in frölichem Gewimmel

Schäffgen sich an Schäffgen drängt/

unter dikk vermänckten Sträuchen/

die nach nichts alß Rohsen räuchen/

in das Graß/ so lang ich bin/

einsamb sträkke ich mich hin.

Schluchtzt ihr Flöhten/ klagt ihr Geigen/

blüht mein Hertz auch roht wie Mohn/

zum Cocythus muß ich steigen/

klagt ihr Flöhten/ schluchtzt ihr Geigen/

und zum schwartzen Fleggethon![135]


Kukk/ mit auff gewipptem Schwäntzgen/

bundt auff einem Schlehdorn-Ast/

lädt ein kleines Fehder-Häntzgen

freundlig sich bey mir zu Gast.

Ach/ mit seiner süssen Kehle

singt es sich mir in die Seele;

waß es tzwittschert/ zürbt und zihbt/

macht mich durchauß ihm verlihbt.

Schluchtzt ihr Flöhten/ klagt ihr Geigen/

blüht mein Hertz auch roht wie Mohn/

zum Cocythus muß ich steigen/

klagt ihr Flöhten/ schluchtzt ihr Geigen/

und zum schwartzen Fleggethon!


Zittschre/ tittschre deinen Kummer/

schleiffe/ pfeiffe deine Lust/

drillre gleichsahm wie in Schlummer

meine rund-ümbnagte Brust!

Rohsen/ Tulpen und Cupressen/

alles blüht und wird vergessen/

alles muß nach kortzer Zeit

in die tunckle Ewigkeit!

Schluchtzt ihr Flöhten/ klagt ihr Geigen/

blüht mein Hertz auch roht wie Mohn/

zum Cocythus muß ich steigen/

klagt ihr Flöhten/ schluchtzt ihr Geigen/

und zum schwartzen Fleggethon![136]


Ich und du/ wir alle beyde/

müssen in den gleichen Stand;

dihse schöne Sommer-Heyde

schlukkt uns in den sälben Sand!

Königs-Kertzen/ Kayser-Krohnen

sind vor ihr wie Lauch und Bohnen;

sollt ich drümb nicht offt allein

heymlig mit mir traurig seyn?

Schluchtzt ihr Flöhten/ klagt ihr Geigen/

blüht mein Hertz auch roht wie Mohn/

zum Cocythus muß ich steigen/

klagt ihr Flöhten/ schluchtzt ihr Geigen/

und zum schwartzen Fleggethon!


Quelle:
Arno Holz: Dafnis. München 1904, S. 134-137.
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