Er verdingt sich dem Apollini

[194] Qwodlibet.


Däglich grimmer bläst der Ost/

Glaß-Eyß glüzzt und Zukker-Frost/

die Kindgens schon drompeten

auff kleinen Zinn-Corneten.

Lebküchene Soldaten/

verguldete Mußkaten

bezihren bald die Tänngens/

darzu Dukahten-Männgens.

Man zeigt sich kaum noch wo püblik

und macht im Kehficht Wald-music!


Wie lange wird es tauren/

dan dräut der Himmel nicht mehr grieß/

dan buzzt für unsren Mauren

Neptunus seinen Gabel-Spieß.[195]

Dan kombt/ fast über Nacht/

Frau Flora an und lacht

und bringt in ihrem Mihder

den gantzen Frühling wihder!


Zahrt an eines Bächleins Rand

wird sich dan wer bükken

und mit seiner weissen Hand

Schlüssel-Blöhmckens pflükken.

Jedes kleine Grillgen geigt

waß mir dan ihr Mund verschweigt;

Zefirus/ der Aura Mann/

lacht so laut er lachen kan!


Ist der Frühling dan verronnen/

singt der Sommer/ daß es schallt/

lihblich rauschen kleine Bronnen

durch den grünen Schäffer-Wald.

Kloris steht biß an die Waden

zwischen Moon und Akker-Rhaden/

heymlig ziht mich in den Klee

die erhizzte Dorile!


Dan färbt der Herbst den Bäumgens

Violen-blau die Pfläumgens/

das letzte Schwalben-Pärgen fliht/

Vertumnus singt sein Wintzer-Lied.[196]

Michel/ Seppel/ Veit und Hannß

springen ümb den Erndte-Krantz/

und säzzen über alle Kost

Lyäens süssen Trauben-Most!


Zurlezzt kombt gantz darhindter

wihderümb der Winter

und füllt uns durchauß biß ins Bett

voll Ambrosin und Nectar-Fett!

Man juhchtzt/ drutz Eyß und Schnee/

O Evan evoe

und singt sich ümmer wihder froh

auff seinem Clavichordio!


In Summa: Welt ist Welt/

sie dreht sich stäts vom Neuen;

mit jädem/ waß sie stellt/

will sie uns blohß erfreuen.

Drümb scheint mir auch so durchauß Brey

Minervens nichts wie Schmiererey/

sambt allem/ waß nach Griechisch räucht/

oder auff Lateinisch kräucht!

An so alten Fleder-Wischen

kan kein Mäntsch sich mehr erfrischen/

weilen ihre böse Würtzen

blohß den Lebens-Draht verkürtzen.

Nur Eins hebt mich biß in den Himmel:

Apoll auff seinem Flügel-Schimmel![197]

Dihsem halt ich seine Schrifft

nicht for wohl-kandirtes Gifft.

Offt schon sann ich manche Nacht/

waß mich so verlihbt ihm macht.

Alles ist for mir wie hin/

wenn ich mit ihm zwistig bin!

Nie so gäb ich seine Leyer

sälbst ümb Cynthiens Busen-Schleier/

rönn mir gleich durch Mercks und Bluht

noch so süsse Liebes-Wuht!

Flakkus/ alter Tibur-Singer/

dein fast Wollust-voller Finger

schlug sie für mir/ dan Ovid/

eh sie Titan MIR beschied!

Ihre Säyten werd ich rupffen/

biß an mir die Würmer zupffen/

biß auff mir der Rabe hokkt

und sein frölig cras cras krokkt!


So verfliessen meine Dage

zwar vergnügt/ doch eylends hin/

biß ich einst im Sarkofage/

sonder Klage/

nichts wie Staub und Asche bin.


Quelle:
Arno Holz: Dafnis. München 1904, S. 194-198.
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