Das Büchlin spricht

Ich binn ein büchlin, wie man sicht,

An sondre arbeit zůgericht,

Vnd grüß einn yeden der mich list,

Wo anderß mein ein leser ist.

Ee mich der tichter fertigt ab,

Den radt ich jm mit trewen gab,

Das er doheim mich lenger bhilt;

Von jm wart ich als bald gestilt,

Vnd gtrieben auß in fremde landt,

Zů werden weit vnd breyt bekandt.

Ich můst wol thůn waß er mich hieß,

Wie wol das villen thůt vordrieß.

Des muß er abentewer stan,

Daruor ich jn gewarnet han.

Auch hab mein selbs zů sorgen ich,

Das mans nit laß entgelten mich:

Ich kenn der Römer regiment,

[Rand: Die Remer.]

Der gleichen habens vil vorprent:

Das mir ein solchs nit widerfar,

Ich wett, sye beyten nit ein iar,

So werdens füren mich zů gricht.

Wer ist der dann hin wider ficht?

Itz geben vil mir tröstlich wort,

Wenß aber kumpt an jhenen ort,

So forcht ich, wenig werden sein,

Die wöllen sich annemen mein.

Dem sye nun, wie im würt, vnd ist,

Ich leer der Curtisanen list,

[Rand: Inhalt dieses / Biechlins.]

Vnd sag gantz freylich vnuorhelt,

Wie yetz mit sitten Rom gestelt,

Wer do regirt, vnd wie man lebt,

Wie schand sich mer vnd mer erhebt.

Wie die vns solten geben leer,

Vnß schicken böß exempel heer,

Vnd würt vorkaufft des hymmels thron,

Ab den got selbs eynwonet schon.[53]

So ist der schinderey kein zal,

[Rand: Schinderei / der remer.]

Do mit sye scheren blat vnd kal,

Vnd nemen stets von teütschen gelt,

Dahin ir prattick ist gestelt.

Vnnd finden täglich neüwe weg,

Das gelt man in den kasten leg.

Do kummen teütschen vmb ir gůt.

Ist niemant den das rewen thůt?

Vorwar es ist erbärmlich ye,

Das ir nit mögen behalten hye,

Was ewer gůt, vnd eygen ist,

Vnd mercket nit den falschen list,

Do mit man eüch beraubt vnd schindt:

Bißher sein teütschen gewesen blindt,

Die heyß ich thůn ir augen auff,

[Rand: Nutz dises / biechlins.]

Das sehen möge der gantze hauff

Der Römer trüg, vnd behendigkeit,

Vnd wie der hirt sein schäfflin weydt,

Vnd sorget vor der selen heyl,

Wie man vnß beütt den hymel feyl,

Vnd würt got selbs dabey vorkaufft.

Wie mancher narr gehen Rom hin laufft

[Rand: Gehen Rom / lauffen.]

Zů holen aplaß vnnd genat,

Wie mans volck vberschwetzet hat,

Zů glauben dasß ein teyl der Sündt

Außwendig Rom nit büssen kündt.

Von solchen, vnd der gleichen vil,

Ich frey vnd teütschlich sagen wil.

Das här ein yeder demß gelibt,

Ob schon mir Rom nit aplaß gibt,

Vnd wil vmb warheit hassen mich,

So wil ichs leyden gedultiglich.

Wer weyß, was noch mag begeben sich.

Villeychfr ob leyd mir widerfert,

Würt funden werden hand vnd Schwerdt,

Vnd gegen solchem gewalt gekert.


Quelle:
Ulrich von Hutten: Gesprächbüchlein, in: Deutsche Schriften. Band 1, Leipzig 1972, S. 1–188, S. 51-54.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Holz, Arno

Die Familie Selicke

Die Familie Selicke

Das bahnbrechende Stück für das naturalistische Drama soll den Zuschauer »in ein Stück Leben wie durch ein Fenster« blicken lassen. Arno Holz, der »die Familie Selicke« 1889 gemeinsam mit seinem Freund Johannes Schlaf geschrieben hat, beschreibt konsequent naturalistisch, durchgehend im Dialekt der Nordberliner Arbeiterviertel, der Holz aus eigener Erfahrung sehr vertraut ist, einen Weihnachtsabend der 1890er Jahre im kleinbürgerlich-proletarischen Milieu.

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon