An Clärchens Geburtstage, von zweyen ihrer Geschwister

[108] Erblaßte Sterne schienen

Auf halb erhellter Au,

Und duftende Jesminen

Umfloß der Morgenthau!

Es deckten Silberwölkchen

Den Himmel allgemach,

Und mählich ward ein Völkchen

Von Nachtigallen wach.


Es küßten sich die Pärchen

Der Vögel, klein und groß:

Da lagst du, holdes Clärchen,

Der Mutter in dem Schooß;

Da lagst du klein und niedlich,

Mit deinem sanften Blick,

Und prophezeihtest friedlich

Den Menschen süßes Glück.
[109]

Hast süßes Glück gegeben,

So wie du prophezeiht,

Gelebt ein frommes Leben,

Voll Engel-Heiligkeit;

Bist schönen Seelen theuer,

Ein ächtres Himmels-Kind,

Als oft in ihrem Schleyer

Die Kloster-Mädchen sind.


Kann dich ein Strauß erfreuen,

Zum Festgeschenke dir

Gebunden von uns Zweyen,

So nimm die Blumen hier;

Und sollten gleich wir beyde

Nicht heilig seyn, wie du,

Doch wirft dir unsre Freude

Die reinsten Küsse zu.

Quelle:
Johann Georg Jacobi: Sämmtliche Werke. Band 3, Zürich 1819, S. 108-110.
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