Nr. 20. Zeder von Libanon

[710] Das Klavierstimmen


Es ist bekannt, daß nach der sechsten Klausel des Testamentes der Notar auch einen Tag lang stimmen muß, um zu erben. Längst hatt' ihn außer Vult noch sein Vater, der nicht erwarten konnte, wie der sogenannte Regulier-Tarif oder die geheimen Artikel Fehler setzen und strafen würden, um Verwaltung dieses Erb-Amts als des kürzesten angelegen, um hinter die Ehrlichkeit des sel. Testators zu kommen; aber Walt hatte beiden stets das Unrecht entgegengesetzt, den alten gebenden Mann für einen Schelm zu halten. Aus schönern Gründen hingegen konnt' er jetzt stimmen, wenn er wollte; diese waren die dreifache Hoffnung, er werde, da sein Stimm-Amt vorher im Wochenblatt dem Publikum mußte angeboten werden, in die vornehmsten Häuser und Zimmer kommen – die schönsten Töchter vorfinden (denn Töchter und Instrumente sind nicht weit auseinander) – und wohl auch die köstlichen Mahagonipiano von Schiedmaier aufdecken, auf deren Tasten Klothar und Wina die beringten Finger gehabt.

Walt betrieb feurig die Sache ohne alles Ratfragen. Er zeigte seinen Willen den Testament-Exekutoren oder dem regierenden[710] Bürgermeister Kuhnold an. Dieser eröffnete ihm, daß er nach dem geheimen Regulier-Tarif 4 Louis aus der Erbschaftskasse erhalte, weil der Testator ihn keiner Verbindlichkeit fremder Bezahlung aussetzen wollen. Wie ein Vater ermahnte er ihn, sein Ohr unter dem Stimmen nicht zu zerstreuen, und er würde ihm deutlicher raten, sagt' er, wenn es seine Pflicht erlaubte. »Auch ich geb Ihnen ein Instrument«, setzt' er mit einem wohlwollenden Lächeln dazu. Walt – in die Liebe verliebt – erinnerte sich mit Vergnügen an Kuhnolds bekannte fruchttragende Ehe voll Töchter.

Die Sache wurde ins Wochenblatt gesetzt.

Der einsilbige Vult schrieb nach der Erscheinung desselben einen ganzen fast ernsthaften Kautelar-Bogen voll Predigten über Saiten-Nummern, Saiten-Sprengen und falsche Temperaturen, samt dem Flehen, doch nur einen Tag lang kein Dichter zu sein. »Sondern Instrumente, statt zu machen wie ein Notar, zu stimmen wie ein ordentlicher Regensburger Komitial-Mensch.«

Am Abend vor dem Stimm-Tag erhielt Walt die Liste der Stimmhäuser; aber darunter war weder sein Wohnhaus – Neupeter war zu stolz dazu – noch Klothars und Zablockis ihre, doch sonst hohe genug.

Als er am Morgen zuerst bei Kuhnold – nach der ancienneté des Meldens hatt' er zu hausieren – als Stimmer ankam: fand er im netten, glatten Klavier-Zimmer statt der Dlles. Kuhnold den obengedachten hinkenden grämlichen Notar, den der Fiskal Knoll, als der Kardinalprotektor der sieben Erben, hergeschickt zum Zeugen aller Fehler, weil ein Notar, wie Deutschland weiß, zwei Zeugen schwer wiegt, folglich für das Jus gerade jener nervus probandi und erster Grundsatz des Widerspruchs, jene geistige tonica dominante oder Primzahl ist, wonach so lange schon die Weltweisen wettrennen, um solche nur zu sehen; daher der Jurist in Minuten mehr beweiset als der Philosoph in Säkuln. –

Auch war Knoll weitläufig schriftlich darauf bestanden, den Stimm-Tag durchaus nicht zu Walts Notariats-Zeit zu schlagen – was sich, replizierte Kuhnold, ja von selber verstanden hätte.[711]

Das heiter-geordnete Zimmer ohne Töchter trug indes überall die Farben-Asche weiblicher Schmetterlingsflügel, bunte Arbeiten und Arbeitszeug schöner Finger. Das Pianoforte war fast wie gestimmt, nur zu hoch um einen Ton – eine Stimmgabel lag dabei – auf den Tasten waren die Nummern der Saiten, auf dem Sangboden neben den Stiften das Tasten-Abc mit schwärzerer Dinte retouchiert – für Stille war in der Nachbarschaft gesorgt und Kuhnold kam zuweilen nachschauend, aber ohne ein Wort zu sagen. Er bot den Notarien ein Frühstück an. »Wollte Gott«, dachte Walt, »eine oder die andere Tochter trüg' es herein!« Eine runzlige, ehrliche, männliche Haut von mehr Jahren als Haaren bracht' es so freundlich, als sei sie in der Tat der Wirt. – –

Redlicher Bürgermeister von Haßlau, lasse mich in dieser Minute, wo ich eben die folgende Nummer und Naturalie Großmaul oder Wydmonder samt Dokumenten von dir und der Post erhalte, die Geschichte mit der Versicherung stören, daß ich wissen würde, wie hoch ich dich zu stellen habe – wärest du auch weniger der Schirmherr des ewig in Schlingen gehenden Notars-, schon daraus, mein' ich, daß du erstlich einen ganz alten (wahrscheinlich beweibten) Bedienten hast, und daß er zweitens noch vergnügt aussieht.

Beide Notarien frühstückten, und der Exekutor sprach, während die Wachparade gleichsam mit ihrem Rauschgold und Knallsilber auf den Uniformen, mit einem Geschrei auf der Trommel, das nicht bloß an die Haut des sie überziehenden Tiers erinnerte, vorbeimarschierte und niemanden sonderlich die Stimme und das Stimmen zuließ. Da hinter der Parade noch Musik englischer Bereiter zog: so versicherte Kuhnold, jetzt höre niemand sein Wort, geschweige den zärtesten Mißton.

So ging der ganze Vormittag unter fehler- und töchterlosem Stimmen vorüber und beide Notarien zum Essen, jeder ganz verdrüßlich, der hinkende dar über, daß er wie ein Narr dagesessen ohne das geringste mögliche Niederschreiben, der stimmende, daß er niemand gesehen. In gewissen Jahren versteht das männliche – und das weibliche Geschlecht unter »niemand« das eigne, und unter »jemand« das andere.[712]

Zu Buchhändler Paßvogel zogen darauf beide Notars. Dem Flügel des Stimm-Hauses fehlte nicht so sehr die Stimmung als Saiten dazu. Statt des Stimmhammers mußte Walt mit einem Gewölb-Schlüssel drehen und arbeiten für Musikschlüssel. Ein geschmücktes schönes Mädchen von 15 Jahren, Paßvogels Nichte, führte einen Knaben von 5, dessen Sohn, in seinem Hemde herum und suchte leise singend eine leise Tanzmusik aus den zufälligen Stimm-Tönen zusammenzuweben für den jungen Satan. Der Kontrast des kleinen Hemdes und der langen Chemise war artig genug. Plötzlich sprangen die drei Saiten a, c, h, nach Haßlauer offiziellen Berichten, welche gleichwohl nicht festsetzen, in welchen gestrichnen Oktaven. »Ja lauter Lettern aus Ihrem Namen, G. Harnisch«, sagte Paßvogel. »Sie wissen doch die musikalische Anekdote von Bach. Es fehlt Ihnen nur mein p!« – »Ich stimme am b«, sagte Walt, »aber für das Springen kann ich nicht.« – Da der hinkende Notar so viel Verstand besaß, um einzusehen, daß ein Stimm-Schlüssel nicht drei Saiten auf einmal sprenge: so stand er auf und sah nach und fands. »Aus dem Ach wird ja ein Bach (scherzte der Buchhändler ablenkend). Was macht der Zufall für Wortspiele, die gewiß keine Bibliothek der schönen Wissenschaften unterschriebe oder schriebe!« Allein der hinkende Notar versicherte, die Sache sei sonderbar und protokoll-mäßig; und als er noch einmal den Sangboden besah, guckte gar hinter der Papier-Spirale aus dem Resonanz-Loche eine – Maus heraus. »Die hats gemacht«, sagt' er, schrieb es nieder und schüttelte so, als ob er vermute, der Buchhändler habe sie aus Absichten in den Sangboden schießen lassen. Walt fragte auf einmal sich besinnend: »Stimm' ich denn fort? Ich sehe überall die Mausspuren, und alles springt.« Er legte den Gewölb-Schlüssel sanft hin. Paßvogel wollte als hitziger Mann ausfallen. Aber Walt entkräftete ihn durch die Erklärung, er wolle in der Stadt herumstimmen und zu ihm zuletzt, aber bei andern Saiten kommen.

Sie gingen zu Hrn. van der Harnisch, der sich auch auf die Liste gesetzt. Er sagte, er erwartete jede Stunde sein Miet-Pantalon, und ließ beide fast eine ganze lauern. Es verschnupfte ordentlich den hinkenden Notar, der noch dazu nicht faßte, wie der[713] stimmende den Edelmann so liebreich anschauen konnte. Walt schrieb alles dem brüderlichen Sehnen nach Wiedersehen zu, indes Vult dabei die Absicht hatte, dem Tage und Bandwurm, der an der Erbschaft fraß, ein Stück abzureißen. Endlich ließ er beide unverrichteter Sache abziehen, nachdem er sie ein paarmal gefragt, ob sie noch da wären, weil er sie nicht höre in seiner Blindheit.

Sie kamen zu einer verwitibten schönen Stückjunkerin, die sich mit ihrem Stickrahmen (eine Paukendecke stickte sie), sehr nahe an das gleißend-gebohnte Klavier setzte, das sie ihn vielleicht stimmen ließ, um ihn für sich zu stimmen. Er horchte so vergnügt auf ihre Anreden, daß er einmal den Stimmhammer auf den Sangboden fallen ließ und ein paar Saiten abdrehte. Am Ende des Geschäfts zeigte sie ihm das musikalische Würfelspiel und bat ihn, damit zur Probe zu komponieren. Er tats und spielte seine erste Komposition vom Blatte; er wollte noch länger vorspielen – denn nie spielt der Mensch lieber als nach dem Stimmen – aber der hinkende Notar setzt' ihm die Testaments-Klausel entgegen. Die Stückjunkerin machte selber einige prüfende Griffe – der Schoßhund sprang empor und ging mit vier dergleichen über die Tastatur und verstimmte ein wenig. Walt wollte nachhelfen; aber der hinkende Notar trieb ihn mit der Klausel von dannen. Er ging ungern. Sie war eine blonde Witwe von 30 Jahren, also um 5 oder 7 Jahre jünger als eine Jungfrau von 30. Es freuete ihn, daß die Saite doch einmal der herrufende Klingeldraht der Schönheit geworden; aber Himmel, dacht' er, ein Stimmen kann ich ja im Doppelroman zur Einkleidung aller Zufälle gebrauchen! –

Er mußte zum Polizei-Inspektor Harprecht, der, wie sein Protokollist sagte, mit einer Herde Töchter geschoren sei. Harprecht empfing ihn sehr verbindlich, stäubte ein altes Hackbrett eilig weiter ab und schob ihm dasselbe freundlich zum Stimmen vor. Töchter waren nicht zu sehen. Walt stutzte und sagte mit langer sanfter Höflichkeit nein; er setzte auseinander, daß er, da in der 6. Klausel nur von Klavieren die Rede sei, durch heutiges Stimmen – morgendes versprach er ihm gern – gegen die vielen[714] noch restierenden Stimm-Häuser auf der Liste (er wies sie vor) verstoßen würde, die alle ein gleiches Recht auf sein Stimmen ohne Geld besäßen. Auch der hinkende Notar sagte, unter Klavier könne nicht wohl ein Hackbrett begriffen werden.

»Oft doch«, versetzte mit alter Liebreichigkeit Harprecht, lächelnd bloß mit einem Mundwinkel, so wie er nur eine gerade Stirnfalte runzelte; allein er sei vielleicht so billig als einer; und da er mit dem Hoffiskal Knoll ein Instrument gemeinschaftlich gemietet für ihre Kinder, so begleit' er ihn zum Stimmen desselben hin, um sich das Vergnügen seiner Gesellschaft etwas zu verlängern, dürf' aber gewiß bei der Testaments-Exekution darauf antragen, daß das Kompanie-Instrument und also jeder Stimm-Fehler für zwei gelte, wobei ja Hr. Harnisch genug an Zeit und Mühe erspare und gewinne. – »Wahrlich«, versetzte Walt, »ich wollt', es wäre recht, ich fragte nichts darnach.« Harprecht drückte ihm die Hand und sagte, einen solchen jungen Mann hätt' er längst zu finden gewünscht; und alle gingen. »Eben jetzt«, sagte Harprecht unterwegs, »ist Tanz- und Klavierschule bei Knoll und alle meine Töchter.«

Es wird nicht unter der Würde der Geschichte sein, hier anzumerken, daß Harprecht und Knoll sich ein einziges Spinett als eine Finger-Tenne und Palästra für ihre Jugend und deren partielle Gymnastik, ein passives Hammerwerk für ihr aktives, gemeinschaftlich bestanden von einem alten Kanzelisten, und daß das Spinett alternierend von einem Semester zum andern in den Häusern beider Dioskuren stand. Harprecht hatte sogar den Curas und Meidinger aus der Gymnasiumsbibliothek für die gallischen Stunden seiner Töchter geborgt und sagte, er schäme sich dessen gar nicht.

Der kürzere Weg zum Fiskal ging durch grüne, rote, blaue, bunte Gärten, denen der Vor-Herbst schon die Früchte färbte vor den Blättern; und Walt, dem die Vesper-Sonne so warmfreundlich ins Angesicht fiel, sehnte sich in den Abend-Glanz hinaus. »Wären Sie imstande«, sagte Harprecht, »so auf der Stelle ein Gedicht in Ihrer neuen Gattung, die man so lobt, auf was man will, zu machen –? Etwa ein Gedicht über die Dichter selber, z.B. wie[715] sie glücklicherweise so hoch stehen auf ihrer fernen idealischen Welt, daß sie von der kleinen wirklichen wenig oder gar nichts sehen und also verstehen?« – Er sann lange nach; und sah gen Himmel; endlich schlug aus diesem der schöne Blitz eines Gedichtes in sein Herz. Er sagte, er hab' etwas; und bitt' ihn bloß, sich zu dessen Verständnis an die astronomische Meinung zu erinnern, daß das, womit die Sonne leuchtet, nicht ihr Körper sei, sondern ihr Gewölke. Er fing an und deklamierte, in die Sonne schauend:


Die Täuschungen des Dichters


Schön sind und reizend die Irrtümer des Dichters alle, sie erleuchten die Welt, die die gemeinen verfinstern. So steht Phöbus am Himmel; dunkel wird die Erde unter ihrem kalten Gewölke, aber verherrlicht wird der Sonnengott durch seine Wolken, sie reichen allein das Licht herab und wärmen die kalten Welten; und ohne Wolken ist er auch Erde.


»Hübsch und spitzig genug«, sagte der Inspektor mit aufrichtigem Lob einer Ironie, die er im Streckvers fand, die aber nicht der Dichter, sondern das Schicksal hineingelegt. – »In solcher Eile«, versetzte Walt, »kann man zwar wohl den Gedanken schaffen – denn jeder Gedanke des Menschen ist doch ein Impromptu – aber gar zu schwer den rechten Vershau; ich gäbe ein solches Gedicht nie öffentlich.«

Sie traten ins laute Knollische Zimmer ein, wo außer dem Kompanie-Spinett und dem Kompanie-Musik- und Tanzmeisterlein noch der Zusammenwurf beider Nester war, die mit Füßen und mit Händen sausen und brausen wollten – lauter hagere, schmalleibige, hänghäutige, mokante, scharfe Mädchen-Figuren von jedem Alter, worunter zwei Knaben mit turnierten. Sämtliche Tanzschule harrete auf ihre Klavierschule, die wieder auf das Stimmen des Spinetts wartete.

Das Musikmeisterlein schwur, heute sei daran nichts zu brauchen, so toll klinge das Spinett. Gleichwohl hatte sich den Abend vorher der Polizei-Inspektor über das Spinett gemacht, um, wie[716] er sagte zum Fiskal, der ihn vertrauend machen ließ, dem jungen Universal-Erben etwas vorzuarbeiten – hatte aber die meisten Saiten zu tief herabgelassen – ferner im Eifer der Vorarbeit zu dicke Nummern auf dreimal gestrichne Noten oder Tasten gespannt – und in der Tat genug gefehlt.

Walt fing an. Er sprengte eine Saite nach der andern entzwei. Harprecht kegelte mit Saiten-Rollen aus der einen Hand in die andere und trachtete sehr, wie er sagte, seinem jungen Freunde ein ziemlich langweiliges Geschäft zu versüßen durch Diskurse; auch reicht' er ihm die Saiten-Knäule, die er brauchte. Anfangs hielt der Notar den Tanz bei dem Klavierstimmen so gut aus, daß er sogar, da ihm keines Menschen Freudenstunde gleichgültig war, teils in das stimmende Oktaven- und Quinten-Probieren eine Art leichtern Tanz-Takt zu legen versuchte, teils ins Einhämmern der Stifte, so unangenehm ihm auch die sämtlichen Mädchen erschienen, die sogleich in den jüngsten Jahren die venia aetatis13, die einem Freiherrn über 300 fl. in Wien kostet, auf dem Gesicht als Brautschatz mitgebracht.

Da aber jede Saite zersprang- und beinahe sein eignes Trommelfell, das er und andere spannten und aufschraubten –: so ersuchte er um erforderliche Stille. Man schwieg allgemein – er stimmte fort und lärmte allein – die Tanzschule samt dem Tanz- und Musikmeisterlein sah jede Minute dem Anfange der Klavierstunde entgegen – Walt durchschwitzte die Wind- und Meerstille – die Saiten sprangen jetzt statt der Tänzer – das Stimmen verstimmte sein Herz und Spinett – er hatte die annahende Nacht und die restierenden Stimmhäuser voll schönster Töchter und Zimmer im Kopfe – verdumpft hatt' er sich schon längst, weil keine Anspannung so hart ins Gehirn drückt als die des Ohrs – an siebenundzwanzig Saiten-Sprünge hatte der hinkende Referent schon zu Papier gebracht – und nun läutete die Abendglocke. – Mit Wut warf der Notar den Stimmhammer ins Zimmer und rief: »Der Donner unds... Was ist das? – Doch der bürgerliche und der kanonische Tag ist jetzt zu Ende, Herr Inspektor, und alles; die Saiten zahl' ich.«[717]

Am Morgen darauf wurde ihm von Hrn. Kuhnold der geheime Artikel des Regulier-Tarifs eröffnet, welcher bestimmt verordnete, daß ihn jede Saite, die er im Erbamte des Stimmens zerrissen hätte, ein Beet der Erb-Äcker kosten sollte, so daß er jetzt, nach dem Protokoll des Hink-Notars, um zweiunddreißig Saiten oder Beete ärmer war. Walt erschrak ungemein seines Vaters wegen. Aber als er dem regierenden redlichen Burgermeister in das traurige Gesicht recht sah, erriet er etwas, nämlich dessen ganze gestrige Güte, die ihm durch ein hochgespanntes Instrument und durch jede andere Erleichterung und durch die Entfernung der schönen Töchter sowohl die Gelegenheit zu Saiten-Rissen im eignen Hause abschnitt als auch ein großes Stück Zeit zu mehreren in einem fremden. Dieser erquickende Gewinn einer schönen warmen Erfahrung erstattete ihm den metallischen Verlust so reichlich, daß er den Abschied vom Bürgermeister mit einer frohen dankenden Rührung nahm, die jener nur halb zu verstehen scheinen mußte.

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Alters-Erlaß.

Quelle:
Jean Paul: Werke. Band 2, München 1959–1963, S. 710-718.
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