An die goldene Feder von Palemon geschenkt

[61] Du, mir aus Händen der Freundschaft

In diese schreibende Hand

Zu langer Dauer gegeben,

Schreib kein unheiliges Lied!


Dich schuf aus glänzendem Erze

Der Schmuck arbeitende Schmid!

Zeus gab nicht unter dem Himmel

Aus einem Vogel dich mir!


Der Strauß, die balzenden Hahnen

Am hohen Brocken im Lenz,

Der Pfau mit prächtigem Rade,

Die alle trugen dich nicht.
[62]

In reichgeseegneter Ader

Trug dich, vor deiner Geburt,

Ein Berg, den Hakken durchwühlen

Gedingt von menschlichem Geiz!


Dich bracht auf stürmischer Welle

Vielleicht ein schwimmendes Haus

Von der barbarischen Küste,

Wo Cannibalen, ein Lied,


Dem Tod im Feuer zu trotzen,

An einem hölzernen Spieß

Noch singen: daß sie gebraten

Des Feindes Brüder auch einst!


O, du mir köstliche Feder!

Dich las ein Mädchen vielleicht

Aus einem Bache voll Goldsand,

Und sagte seufzend dabey:


»Wo bleibt der liebende Jüngling?

O, mir verächtlicher Staub!

Sein Herz im lächelnden Aug

Glänzt mehr, ist theurer als du!«
[63]

So sprach das Mädchen vielleicht

Zu dir noch rohem Metall!

Izt aber bist du gebildet

Für mich zu hohem Gebrauch!


O nur den Göttern und Helden

Zu schreiben diene du mir,

Und göttlich denkenden Freunden

An Tagen ihrer Geburt![64]

Quelle:
Anna Louisa Karsch: Auserlesene Gedichte, Berlin 1764, S. 61-65.
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