Das Feuerwerk am Ufer der Elbe

an den Herrn Professor Sulzer

[172] (Zu Magdeburg den 18ten May 1762.)


Verweile Freund, laß uns ihn noch geniessen

Den Frühlings-Abend, der gefühlt

Von Blumen wird, die geizig sich verschliessen

Wenn sie der Thau gekühlt.


Des Tages Thron wird von der Nacht besessen;

Mit tausend Sonnen überstreut

Schwebt über uns, von keiner Hand gemessen,

Ihr königliches Kleid.


Um ihren Sitz herrscht feyerliche Stille;

Aus ihrem unumwölkten Schooß

Fährt nicht der Blitz, nicht brechen mit Gebrülle

Die Donner Gottes los.
[173]

Doch, höre Freund, was donnert uns zur Seite,

Das Ufer zittert von dem Knall,

Gleich dem Getös aus fernem Kriegesstreite;

Und Antwort giebt der Wall.


Die Citadell, der Dom, die Fürsten-Häuser

Die rufen diesem Donner nach – –

So riefen Hügel jüngst, da Lorbeerreiser

Der Held in Sachsen brach!


Mein Blick verfolgt die steigende Raquete

Die um den Rang der Sterne wirbt,

Und da ihr Stolz von ewig glänzen redte,

Verlöscht und niederstirbt.


So hoch empor ist stolzer Muth gestiegen

In Friedrichs starken Feinden oft,

Wenn sie von Wuth entflammt, sein Niederliegen

Gewünschet und gehofft.
[174]

Was kommt dort auf dem Wasser hergezogen?

Sind Mars und Venus voller Gluth

Von ihrer Laufbahn itzt herabgeflogen,

Und brennen in der Fluth?


Sie treiben sich – – nun fahren sie zusammen

Wie Pandamus und Diomed;

Zwo Schiffen gleich, wenn jegliches in Flammen

Gesetzt, zu Wolken geht.


Freund, sage mir welch lieblich Ungeheuer

Ward von der Kunst hervorgebracht?

Jetzt wird der Strom vom hochgesprütztem Feuer

Dem Aetna gleich gemacht!


Schönflammigt springt in tausend grossen Funken

Der Bogen Pracht, ich sehe sie

Und denke von der Zukunft Freude trunken:

So springt zu Sans-Souci
[175]

Dem Sieger hochentgegen jede Quelle.

Die Marmor-Säulen regen sich;

Roms Helden-Geister wollen aus der Hölle

Herauf zu Friederich!

Quelle:
Anna Louisa Karsch: Auserlesene Gedichte, Berlin 1764, S. 172-176.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Holz, Arno

Phantasus / Dafnis

Phantasus / Dafnis

Der lyrische Zyklus um den Sohn des Schlafes und seine Verwandlungskünste, die dem Menschen die Träume geben, ist eine Allegorie auf das Schaffen des Dichters.

178 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon