An die Königl. Hof-Bauadministration wegen ein paar geschenkter eiserner Spahröfen

[188] 1791.


Verzeihung von der Königlichen

Administration, bitt' ich,

Weil mancher Tag schon fortgewichen,

Und auch des Winters Länge sich

So nach und nach hinweg geschlichen,

Eh die dankbare Karschin sich

Mit großem Dank hat abgefunden

Für ein paar Oefchen, ihr geschenkt.

Sie zählte gar viel kranke Stunden,

War halb schon aus der Welt gelenkt

In andre nicht bekannte Welten,

Wo man Bestrafung und Vergelten

Für gut' und böse That empfängt –[188]

Wär nicht mein Geist von seltner Stärke,

Er wäre längst hinweggedrängt,

Denn schwach sind nur die Außenwerke,

Sie werden wahrlich keinen Schmaus

Für irgend einen Grabwurm geben,

Man trägt nur Haut und Bein ins finstre Leichenhaus.

Ich denk es ohne grauses Beben.

Warum sollt ich betrübt ein Achgeschrey erheben

Beim Anblick meines Bleichgesichts?


Kalt ist das Grab, davon empfindet nichts

Das Wesen, welches in mir denket,

Sein Feuer widersprichts –

Und daß sich's dermaleinst an Lethens Ufer tränket;

Dieß glaube wer da mag und kann,

Ich nehme diesen Wahn nicht an,

Weil ich durchaus nicht will vergessen,

Was mir hienieden Guts geschehn;

Weil ich auch dort noch will ermessen,

Welch Auge mich hier gern gesehn,

Und welche Hand mirs leichter machte

Zu wallen auf dem Lebenspfad,

Wo oft mein Fuß auf Dornen trat –

Selbst da der beste König dachte,

Daß meine Laufbahn bis ans Ziel,

Nun Rosen ohne Dornen brachte,[189]

Denn so befahls Sein Königlich Gefühl –

Wie der Befehl ward ausgerichtet,

Ist Jedermann zur Augenschau,

Der auf der neuen Brücke Bau

Die Sphinx betrachtet, die erdichtet

Von großen Fabeldichtern ward.

Er darf nur rechter Hand sich drehen,

Da wird er mit Verwundrungsart

Das Eckchen meines Hauses sehen –

Das ein recht hochgewachsner Mann,

Wie weiland Potsdams Gardemänner,

Mit seinem Arm umspannen kann.

Indessen lad' ich meine Gönner

Und Gönnerinnen freundlich ein,

Nicht auf sechs Schüsseln, nicht auf Wein:

Nein, meine Wohnung nur zu schauen,

Lad ich Sie ein,

Und kann's Euch schwören mit Vertrauen,

Daß ihre Niedlichkeit Sie reizt,

So wahr mit wenig Glut das Eisenöfchen heizt.
[190]

Quelle:
Anna Louisa Karsch: Gedichte von Anna Louisa Karschin, geb. Dürbach. Berlin 1792, S. 188-191.
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Die Sapphischen Lieder: Liebesgedichte
Gedichte: Ausgabe 1792

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