Lied eines Lappländers

[95] Komm Zama, komm! Laß deinen Unmuth fahren,

O du der Preis

Der Schönen! komm! In den zerstörten Haaren

Hängt mir schon Eis.
[95]

Du zürnst umsonst. Mir giebt die Liebe Flügel,

Nichts hält mich auf.

Kein tiefer Schnee, kein Sumpf, kein Thal, kein Hügel

Hemmt meinen Lauf.


Ich will im Wald auf hohe Bäume klimmen

Dich auszuspähn,

Und durch die Fluth der tiefsten Ströhme schwimmen,

Um dich zu sehn.


Das dürre Laub will ich vom Strauche pflücken,

Der dich verdeckt,

Und auf der Wies' ein iedes Rohr zerknicken,

Das dich versteckt.


Und solltest du, weit übers Meer, in Wüsten

Verborgen seyn;

So will ich bald an Grönlands weißen Küsten,

Nach Zama schreyn.


Die lange Nacht kommt schon. Still mein Verlangen

Und eil zurück!

Du kommst, mein Licht! du kommst, mich zu umfangen;

O, welch ein Glück!


Quelle:
Ewald Christian von Kleist: Sämtliche Werke. Stuttgart 1971, S. 95-96.
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