Eilfter Auftritt


[149] Kaberdar – Musaffery.


MUSAFFERY. Du, einst Herrscher über Tausende! fruchttragender Baum, unter dessen Schatten die Stämme Indiens sich lagerten! was ist aus dir geworden? Ein elender Wicht aus dem Stamme der Schutres wagt es dich zu beleidigen – o Jammer!

KABERDAR. Mich beleidigen? Du irrest guter Musaffery. Erblickst du Unmut oder Zorn auf meiner Stirne?

MUSAFFERY. Weil ohnmächtiger Zorn dir nicht ziemt. Du bist nicht mehr Nabob von Mysore. Ach! –

KABERDAR. Immer wieder das alte Lied! nein, ich bin nicht mehr Nabob von Mysore, und möcht' es auch nicht wieder werden.[149]

MUSAFFERY erstaunt. Du möchtest nicht?

KABERDAR. Sprich, alter treuer Diener! hieltest du mich damals für glücklich, als Franzosen und Engländer meine Freundschaft, mein Bündnis suchten? Als ich wider Willen in ihre unsinnige Fehde verwickelt wurde? Als ich bald diesem aus Neigung, bald jenem aus Zwang diente? Als es mir alle Augenblicke an Geld mangelte, meine murrenden Soldaten zu befriedigen? Als der Hof zu Delhi Kabalen gegen mich spann, und ich zu niedrigen Kunstgriffen mich herablassen mußte, um mein Ansehn zu behaupten? Als Europäer und Indier meine blühende Provinz verwüsteten, und heilige Pagoden entweihten? Als endlich der Aufruhr meiner Brüder gegen mich ausbrach, und ich so manche Nacht, mit schwerem Kummer belastet, auf meinem Lager mich wälzte? Sprich! war ich damals glücklich?

MUSAFFERY. Nein. Aber dir duftete noch die süße Blume der Hoffnung; was verloren war, konntest du wiedergewinnen.

KABERDAR. Und das kann ich nicht mehr?

MUASFFERY. Nein. Wenn Brahma kein Wunder tut, so kannst du nie wieder Nabob von Mysore werden.

KABERDAR. Und glaubt denn Musaffery es sei kein Glück für mich auf dieser großen, schönen Erde, ohne den Szepter von Mysore? –

MUSAFFERY. Und welches? Vermagst du mit dem Hauch des Lebens die Körper deiner ermordeten Weiber und Kinder zu beseelen?

KABERDAR. Leider nein!

MUSAFFERY. Vermagst du auch nur ihre Leichname zu finden, um eine bekränzte Kuh an ihrem Grabe zu opfern?

KABERDAR. Ach nein! Wehe! Wehe über meinen Bruder! nicht einmal einen Sohn hat er mir gelassen! Vielleicht unter namenlosen Martern alle die Zweige meines Stammes vernichtet! oder grausamer als der Tod, meine wackere Söhne des Lichts ihrer Augen beraubt – ach! – weg! weg! – einen Vorhang über dies schauerliche Gemälde! – Hinunter ging die Sonne jener Tage; ich stehe hier, und harre ihres Aufgangs.

MUSAFFERY. Für uns wird sie nimmer wieder aufgehen.

KABERDAR. Warum nicht? wenn nicht an den Ufern des Ganges, doch an den Ufern der Themse. Viel hab ich verloren, doch viel bleibt mir zu gewinnen übrig. Zufriedenheit und Ruhe schmückten nicht die Fürstenbinde von Mysore, sie[150] sind ein Kleinod, welches die Götter nicht dem Stamme der Rajas vorbehielten. Eurem Winke folg ich, ihr süßen Freuden des unbeneideten Mittelstandes! Gern steig ich zu euch hinab – oder hinauf! – bin ich alt und kraftlos? vermag ich nicht noch Söhne zu zeugen? die Freude meiner kommenden Tage? – Treuer Musaffery! ich will mir ein Weib nehmen, von meinen geretteten Schätzen noch mehr der Güter mir ankaufen; und gern den Thron, um dessen Stufen zehentausend aufrührische Sklaven krochen, gegen die friedliche Herrschaft über hundert ruhige Europäer vertauschen.

MUSAFFERY. Ein Weib nehmen? wo findest du in England ein Weib aus deinem Stamme entsprossen?

KABERDAR. Elendes Vorurteil! mein Vaterland hat mich ausgespien, ich bin von seinen Gebräuchen entbunden. Meine Augen haben gewählt; mein Herz ist einverstanden, und wartet nur noch auf Zustimmung meiner Vernunft. Miß Liddy – Begeistert. ihr Blick ist ein Sonnenstrahl, auf welchem die Seelen in Wischenus Paradies eingehen! sanfte Weisheit der Göttin Sarasuadi wohnt auf ihren Lippen, und Tugend, geschaffen aus der rechten Brust des Gottes der Götter, thront in ihrem Herzen! – o Manmadin! Gott der Liebe! schleich auch du dich hinein!

MUSAFFERY. Du bist entzückt! Hüte dich! dein Herz ist zum Knaben geworden, und wird mutwillig deiner Vernunft entschlüpfen, die in Gestalt eines Greises ihm nachschleicht.

KABERDAR. Recht Alter! nichts übereilt! Mit deinen leidenschaftlosen Blicken will ich spähen, mit deiner kalten Vorsicht will ich prüfen. Aber wie? wenn der Erfolg den Wünschen meines Herzens entspricht, wirst du mich dann wieder für glücklich halten?

MUSAFFERY nach einer Pause. Nein! Ach, dort, wo der Ganges durch blühende Reisfelder sich schlängelt, dort allein wohnt das Glück. Hier, in einem fremden Lande, wo ich nie einem Menschen begegne, zu dem ich sagen könnte: »erinnerst du dich noch des frohen Tages vor zwanzig Jahren, als wir da und da zusammen lustig waren?« – Hier wo niemand meine Sprache redet, niemand meinen Göttern dienet. – O Jammer!

KABERDAR. Weißt du auch, Musaffery, daß du mir durch deine Klagen wehe tust, deren nie versiegende Quelle immer so heiß übersprudelt? Gereut es dich, so viele Liebe und Treue an mir bewiesen zu haben? Gereut es dich, der einzige[151] gewesen zu sein, der seinen Herrn nicht verließ, als unglückschwangere Blitze um ihn zischten? Er ergreift ihn bei der Hand. Ich kann dirs freilich nicht vergelten. Nur Liebe bezahlt Liebe! nur in meinem Herzen mußt du deinen Lohn suchen.

MUSAFFERY. Und hab ihn reichlich gefunden! Vergib mir die unbescheidne Klage! Nein ich weiche nicht von dir bis der Tod –

KABERDAR. Stille davon! ich höre Gurli kommen.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 149-152.
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