4.

Waffen-Anstand

[5] Von Anstand und von Fried und vielen schönen Dingen

Will Fama dieser Zeit ein neues Liedlein singen;

Doch weiß ich nicht, obs neu. Der Anstand ist gar alt;

Der Fried' ist auch für längst gar recht, gar wol bestalt.

Was darff ein Anstand sein, wo nie man noch gestritten?

Da Waffen und ihr Brauch nach dieses Krieges Sitten

Gleichwie in einem Spiel nur bloß zum Scherz und Schein

Und daß sie nicht der Rost zerfreß, in Händen sein?

Was darff ein Anstand sein, wo nie kein Feind sich findet,

Der zu bekriegen steht, und wo man sich nur gründet

Auf Meinung, unser Land nach draußgeschöpfftem Nutz

Alsdenn dem lieben Gott zu geben in den Schutz?

Was darff ein Anstand sein, wo man die Krieges-Kinder

Gar glimpf- und gütlich meint und bloß die feisten Rinder

Sambt ihrer jungen Art um etwa Pferd und Schwein,

Schaaf, Hun, Han, Ente, Gans läst seine Feinde sein?

Der Fried' ist lange schon in unsre Gräntzen kommen,

Da jene viel zwar uns, wir ihnen nichts genommen,

Indem wir uns bemüht, (o eine feine Kunst!)

Zu brechen ihren Trotz durch unsre gute Gunst.

Es ist ja Fried' und Ruh im Lande gantz die Völle;

Das Feld hält Sabat-Tag; der Acker liget stille

Und duldet nicht wie vor, daß ihm viel Wunden schlug

Deß Bauers frecher Arm und ein tyrannisch Pflug.

Es ist ja Friede da; man darf ja mehr nicht sorgen,

Wie jeder Hab und Gut für Dieben hält verborgen

In sicherem Gemach; es bleibt ja Gold und Geld

In festem Hause so, wie durch das offen Feld.[6]

Hierum singt Fama falsch von Anstand und von Friede;

Ihr Sinn sei dieser denn, daß, weil die Welt ist müde

Der alten deutschen Treu, nur mit Betrieglichkeit

Man habe steten Fried' und Krieg mit Redligheit.

Quelle:
Friedrich von Logau: Sämmtliche Sinngedichte, Tübingen 1872, S. 5-7.
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Die tapfere Wahrheit. Sinngedichte. Insel-Bücherei Nr. 614
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