56.

Das Dorff

[643] Mein Gut besucht ich nechst; das Feld war voller Segen;

Sonst war mirs nicht so gut, wie in der Stadt, gelegen:

Mein Tisch, der war ein Bret; mein Bette kunte gehen;

Ich hatte fromen Tranck; zur Speise hatt ich stehen

Ein Kind, ein solches Kind, daß, wann es ietzt geboren,

Die Mutter drüber singt; ich hatte mir erkoren

Den Platz, worauff der Grund zur Music wird geübet;

Noch dennoch war mir wol und alles viel geliebet,

Weil Ruh mir wolgefiel. Das zancken der Parteyen,

Der Überlauff deß Volcks, deß Hofes Schwelgereyen,

Verleumdung, Neid und Haß, Trug, Heucheley und Höhnen,

Die außgeschmückten Wort und fälschliches beschönen,

Das hatte hier nicht stat; ich kunte seyn mein eigen

Und alle meine Müh zu meinem besten neigen.

O Feld, o werthes Feld, ich muß es nur bekennen,

Die Höfe sind die Höll, und Himmel du zu nennen!

Quelle:
Friedrich von Logau: Sämmtliche Sinngedichte, Tübingen 1872, S. 643.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sinngedichte
Die tapfere Wahrheit. Sinngedichte. Insel-Bücherei Nr. 614
Sinngedichte / Von Logau, Friedrich (German Edition)