Aus dem Trauerspiel »Sophonisbe«

[104] Die Liebe.


Der Zirkel der Natur umschränkt

Nicht mein Altar, nicht meines Tempels Zinnen;

In einem meiner Finger hängt,

Daß euer Leben euch die Parzen spinnen.

Kommt nun, Höll', Erde, Himmel, Meer,

Kommt, streut mir opfernd Weihrauch her!


Der Himmel.


Du bist mein Kind, die Götter opfern mir;

Der Donner kämpft für meines Zepters Würde.

Was ziehst du denn dich meiner Gottheit für?

Dein Tempel ist vor meinem eine Hürde.


[105] Die Liebe.


Eh', als der Himmel stand, war ich.

Er buhlt liebäugelnd mit der Welt von ferne

Und schmückt mit tausend Augen sich.

Sein Kleid und Antlitz sind verliebte Sterne,

Bär, Stier, Orion, Adler, Schwan

Zeigt meine Macht, sein Feuer an.


Der Himmel.


Auf, rüste dich, o Herrschsucht, für mich aus!

Laß, Jupiter, dein Zepter nicht verachten!

Was deinem Reich trotzt, schlag' durch Blitz' in Graus!

Laß diese Kinder mir zum Opfer schlachten!


Die Liebe.


Vor mir muß Jupiter selbst knie'n,

Ein Kukuk sein, ein güldner Regen werden.

Reißt, Kinder, ihm den Mantel hin!

Weist, daß er sei ein Satyr auf der Erden![106]

Brecht ihm die Donnerkeil' entzwei!

Lehrt, daß mein Pfeil ihr Meister sei!


Die Hölle.


Wer Jupiter'n und Kronen auch besiegt,

Läßt doch den Pfuhl der Höllen unversehret.

Die Lieb' erstickt, ihr Anmuthsreiz erliegt,

Wo man nur Ach und Ketten schwirren höret.


Die Liebe.


Auch bis zur Hölle dringt mein Strahl;

Mein Pfeil steckt noch in Ariadne's Brüsten,

Und Dido's Geist fühlt Liebesqual.

Dringt Orpheus nicht, gereizt von süßen Lüsten,

In Abgrund zur Eurydice

Und Theseus zur Persephone?


Die Hölle.


Auf! Grausamkeit, die meine Nacht verwahrt!

Auf, Pluto, auf! bewaffne dich mit Flammen!

Beweise hier, wie Rach' und Grimm gebahrt!

Zertreib' den Schwarm der Kinder stracks vonsammen!


[107] Die Liebe.


Die Grausamkeit wird vor mir bleich,

Ein Polyphem erstarrt vor Galateen;

Selbst Pluto läßt sein finstres Reich,

Gereizt durch Brunst der Cerestochter, stehen.

Geht, Kinder, schleppt ihn zum Altar;

Reicht mir der Höllen Schlüssel dar!


Die Erde.


Wenn in der Gluth gleich Höll' und Himmel kracht,

So nährt mein Schooß doch Seelen ohne Flammen.

Leucate's Fels vertilgt der Liebe Macht,

Silenus Bach theilt Seel' und Brunst vonsammen.


Die Liebe.


Durch mich wird Cirth' und Troja Graus;

Die Erd' ist in den Himmel selbst verliebet;[108]

Sie schmückt im Frühling schön sich aus,

Nur, daß sie ihm, geschwängert, Anmuth giebet.

Der Tiger Grimm, der Schlangen Gift

Verraucht, wenn sie mein Liebreiz trifft.


Die Erde.


Alcides, auf! greif diesen Drachen an!

Der Tugend weicht jedwedes Ungeheuer.

Wer Höll' und Neid und Löwen tödten kann,

Bleibt unversehrt, wie Salamand'r im Feuer.


Die Liebe.


Die Tugend wird mein glüher Brand.

Geht, Kinder, reißt die Keule weg dem Riesen,

Gebt ihm den Rocken in die Hand!

Nun spinne, wie dir's Omphale gewiesen!

Ja, Oeta soll dein Leichenstein

Und meine Gluth dein Holzstoß sein!


Das Wasser.


Das Wasser löscht, fängt aber keine Gluth;

Wie soll nun 's Meer dir heißes Opfer bringen?[109]

Selbst Phaethon kühlt sich in meiner Fluth,

Und Syrinx kann bei mir dem Pan entspringen.


Die Liebe.


Die Lieb' hat ihre Wieg' in dir.

Jedweder Fisch, jedwede Muschel brennet;

Neptun wird rasend selbst vor mir,

Daß er der Ceres, wie ein Pferd, nachrennet.

Ja, des verliebten Alpheus Bach

Kreucht durch's Meer Arethusen nach.


Das Meer.


Auf, Jason, auf! Hier ist mein Dreizacksstab!

Spritz' aus hierdurch die Brände der Begierde!

Denn Ehr' und Ruhm gewinnt der Wollust ab;

Das güldne Vlies ist deiner Seele Zierde.


Die Liebe.


Die Lieb' hat dir's zu Weg' gebracht;

Medeens Brust mußt' erst mein Pfeil zertrennen.[110]

Geht, prüft, ihr Kinder, meine Macht,

Versucht, ob nicht der Dreizacksstab kann brennen!

Kommt nun, Höll', Himmel, Erde, Meer,

Kommt, streut mir opfernd Weihrauch her!


Quelle:
Auserlesene Gedichte von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Wernike, Friedrich Rudolf Frhr. von Canitz, Christian Weise, Johann von Besser, Heinrich Mühlpforth, Benjamin Neukirch, Johann Michael Moscherosch und Nicolaus Peucker, Leipzig 1838, S. 104-111.
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