Die andre Abhandlung.

[136] Der Schau-Platz stellet für den Vorhof der heiligen Sophien-Kirche / welche itzt die fürnehmste Türckische ist.

Ambre des Mufti Tochter. Calpare ihre Mutter.


AMBRE.

Gott / der du sieben Meer / der sieben Himmel Last /70

Nebst siebzig tausend Schaarn zu deinen Füssen hast /

Ja Engel / Ehre / Perln / Macht / Gottheit unterm Throne.

Wo deine schlechte Magd was bitten darff / so schone

Derselben / die dich stets inbrünstig bethet an;

Hilff: daß kein Nebel nicht mein Licht verdüstern kan;

Wie Geist und Traum mir dreut. Ich falle dir zu Füssen /

Begierig Tag für Tag der Erde Staub zu küssen71

Auß Andacht gegen dich. Die Lampe brennt allhier

So sehr nicht / als mein Leib / auß Liebe gegen dir.

Laß geiler Brünste Rauch nur meine Brust nicht schwärtzen.

Und dir / O Mahumed / dir sag ich zu vom Hertzen:

Daß ich biß in den Halß im Flusse büssen wil /72

Wo Eva Busse thät; Daß / wo mein Lebens-Ziel

Mir nicht der Tod verrückt / ich fästen Vorsatz habe

Walfahrtende zu zihn nach Mecha / zu dem Grabe /

Zu küssen deines Sargs hochheilgen Marmelstein73 /

Der itzt ein Engel ist / und mit der Zeit wird seyn

Ein Steig ins Paradiß. Ich wil mit bittren Zähren

Allmosen-Opfer74 Gott iedweden Tag gewehren;

Er tilge nur in mir sein reines Bildnüß nicht.[136]

Denn / da auch Gabriel das Sonnen-gleiche Licht

Des Monden75 hat vermocht durch Anrührn bleich zu machen;

Wie sol / wenn Gottes Grimm wil wider mich erwachen /

Sein Schwefel-Athem mich nicht in Staub / Asch und Koth

Und ein schlimm Aaß verkehrn?

CALPARE.

Diß ist einWerck / das Gott

Und Engeln wohlgefällt / stets für den Tempeln knien;

Derselben Same muß wie grüne Palmen blühen.

AMBRE.

Wie daß der Frommen Fuß denn stets auff Disteln tritt?

Wenn Bös' auff Rosen gehn? und ihr stockblinder Schritt

Nie der Damasten fehlt? Die Welt ist wohl zu nennen

Ein Schau-Platz / wo man nur die Unschuld siht verbrennen /

Und Galg' und Rad ihr baut.

CALPARE.

Und uns ein Predigstul /

Der uns ins Hertze schreit: Daß Tugend hier den Pful /

Dort ihren Himmel hat; Daß die umbdörnten Lilgen

Im Garten dieser Welt / die Reiff und Mehlthau tilgen /

Umbblümte Rosen solln im Paradise seyn.

AMBRE.

Wie schwer geht diese. Gall / Ach! unsern Lippen ein!

CALPARE.

Creutz-Träger singen Gott die angenehmsten Psalme.

Gott schlägt der Unschuld Stein nicht: daß Er ihn zermalme /

Die Tugend-Funcken solln auß selbtem strahlen für.

Gott leitet unser Schiff auf Klippen / nicht daß wir

Dar solln zu scheutern gehn / nur: daß wir beym Gewitter

Solln lernen Hertzhafft seyn. Was aber wil so bitter /

Mein Kind/ mein Trost dir ein?

AMBRE.

Ein höchst abscheulich Traum

Dreut Tod und Schande mir. Die Mitternacht war kaum

Der Anfang meiner Ruh / als ich von einer Schlangen

Mit giftgem Jäschte ward begeifert und umbfangen;

Doch / als ich machte mich von ihrem Schwantze frey /

Zerborste von sich selbst der grosse Wurm entzwey.

CALPARE.

Mein Kind / nicht lasse dich durch solche Schatten schrecken.

AMBRE.

Gott pflegt / was künfftig ist / durch Träume zu entdecken.

CALPARE.

Meist sind die Träume Dunst / und ein nichts-deutend Rauch.

AMBRE.

So überredte man den Sultan Oßman76 auch;

Als sich sein groß Kamel gleich als durch Adlers-Flügel

Schwang sternwerts in die Höh / und ihm der leere Zügel

Bestürtzt in Händen blieb; Der Außgang aber wieß:

Daß ihm hernach das Reich / wie vor's Kamel entrieß.[137]

CALPARE.

Woher wol hättestu zu fürchten Gift und Schlangen?

AMBRE.

Des Glückes Bley-Fuß kommt wie das Thier Ha gegangen;77

Das Unglück aber laufft geschwinden Luchsen für.

CALPARE.

Gott wende die Gefahr / und der erhalt dich mir!


Mufti. Ambre. Calpare.


MUFTI.

Nun werd ich dich / mein Kind/ so ehrn als lieben müssen.

AMBRE.

Ich werd in Demuth stets der Eltern Fuß-Pfad küssen.

CALPARE.

Was wächst der Ambre denn für neue Würde zu?

MUFTI.

Ihr blühet Ehr und Thron und ewig-fäste Ruh.

AMBRE.

Wie daß denn Furcht mein Hertz und Angst den Schlaff betrübet?

MUFTI.

Der Sultan ist in dich / mein liebstes Kind / verliebet /

Und schicket dir hiermit das Zeichen seiner Gunst.

AMBRE.

Hilff Himmel! ich vergeh: Ach! wie sol tolle Brunst

Und reine Keuschheit sich vermähln und mischen lassen?

In Tenos wil ein Brunn nicht Safft auß Reben fassen /78

Und meiner Adern Quäll / für dem Chrystall nicht rein /

Und Schwanen fleckicht sind / sol ein Gefässe seyn /

Darein der geile Hengst den Schaum der Unzucht spritze?

CALPARE.

Was ficht mein Kind dich an? mit was für Aberwitze

Stößt du des Käysers Hold und dein Gelücke weg?

AMBRE.

Solch Glücke schafft Verderb / und seine Brunst macht Fleck'.

Ach! ich erfahre schon die Deutung meiner Träume!

Wie dieser Wurm das Gifft der Geilheit auf mich schäume;

Wie dieser Basilisk in Englischer Gestalt /

Durch falschen Sonnenschein der Liebe mache kalt /

Durch Zucker holder Küß Angst / Schand und Todt außschütte.

Frau Mutter / wo ihr Hertz hegt Mütterlich Geblütte /

Wo ihre Brust noch Milch der Kinder-Liebe nehrt /

Wo ein fußfällig Kind je ist Erbarmens werth /

Wo meiner Thränen Saltz nur schlechtem Wasser gleichet /

Das Kiesel hölet aus / und Marmelstein erweichet /

Wo meiner Seufftzer Geist ihr biß zur Seele klimmt;

So leide sie: daß ich zum Opfer ihm bestimmt /

Eh als zur Braut ihm werd / und daß ich seine Sebel[138]

Eh als die Lippen küß / indem der Dunst und Nebel

Des Lebens jener Welt / darinnen weder wohl

Noch übel uns wird seyn /79 mich mehr ergetzen sol /

Als seines Purpers Glantz. Wil man mir dis versagen /

So wil ich Lebenslang als reine Jungfrau tragen /

Nach der Calender Arth80 an Ohren Ring' aus Stahl /

Zu Kleidern Pferde-Haar; Ja tausend Angst und Quaal

Geduldig stehen aus; krieg ich nur diesen Segen:

Daß ich mich nimmermehr zum Ibrahim darff legen.81

CALPARE.

Was macht so bitter dir den Liebes-Zucker an?

AMBRE.

Ach! sie erwege doch: Ob der recht lieben kan /

Und Liebens würdig ist / der stündlich Lieb und Brünste

Mit frischem Wechseln kühlt / der stets durch theure Künste

Der Geilheit Oel einflößt / der ärger brennt und glüht

Als ein Sardanapal/ als Cajus und Avit;

Die Greuel unsrer Lehr / und Scheusal' aller Zeiten.

Ja man laß uns vergnügt ins Sultans Bette schreiten /

Der Anmuth Westen-Wind auf unsren Brüsten spieln;

Laß unsre Seele gar der Aepfel Vorschmack fühln /

Die zweyfach nach dem Bruch im Paradise blühen;82

So mögen wir doch nicht dem Hertzeleid entfliehen:

Daß ich für Grimm und Tod nur Kinder kan gebehrn /83

Die auf die Schlachtbanck pflegt der Blutt-Durst zu gewehrn

Der Brüder / wo sie noch der Väter Rach entrinnen.

Er selbst / Herr Vater / wird sich unschwer noch entsinnen /

Aufs dritten Machmets Grimm84 und grause Mörderthat;

Der mit dem ältsten Sohn auch dessen Mutter hat

Aus schlüpfrichem Verdacht recht-henckrisch aufgerieben;

So süsse Früchte trägt der Groß-Herrn grosses Lieben!

MUFTI.

Du mein hertzliebstes Kind / du meiner Augen Lust /

Ich lobe deinen Schluß. Mir ist zu wohl bewust

Das Wermuth-bittre Gift / das dieser Biesam decket;

Was für ein Drachen-Maul in Engel-Larven stecket.

Befestige dein Hertz / auf Zufall / Tod und Leid.

AMBRE.

Ja! ich bestetig es durch einen theuren Eid:

Daß nimmermehr ich nicht den Sultan lieben werde /[139]

Räumt er des Oßmans Stul / den halben Kreiß der Erde

Sein gantzes Käyserthum mir gleich zum Brautschatz85 ein;

Ja / ehe sol der Sarg mein Hochzeit-Bette seyn.

MUFTI.

Gott wolle dir stehn bey / und Mahumed dich segnen!

Ich eile solchem Brand in Zeiten zu begegnen.


Ambre. Mehemet.


AMBRE.

Wie / wenn der Himmel sich in schwartze Wolcken hüllt /

Und die betäubte Welt mit Knall und Blitz erfüllt /

Die Turteltauben wild / erschreckt/ und schüchtern werden;

So ängstig muß auch ich mich furchtsame gebehrden

Und kein bestürmtes Schiff wanckt in den Wellen mehr;

Es zittert von dem Nord kein Espen-Laub so sehr /

Als meine Seele bebt! mein schlagend Hertze saget

Mir Ach und Jammer wahr!

MEHEMET.

Wie? meine Seele klaget

Und bläßt hier Seufzer aus? Was ficht / mein Licht / sie an?

AMBRE.

Ein Elend / welchem sich kein Elend gleichen kan.

MEHEMET.

Welch Unmensch / welch wild Thier beleidigt solche Tugend?

AMBRE.

Der Sultan leider! heischt die Blüthen meiner Jugend /

Die Blumen meiner Zucht zum Opfer seiner Brunft.

MEHEMET.

Des Purpers Glantz gebührt und wurtzelt Lieb und Gunst.

AMBRE.

Gunst / Lieb und Hold zerrinnt / wie bleiche Wasser-Gallen /

Wenn statt des Kernes ihr die Schalen nur gefallen;

Und Purper / welchen nicht die Tugend bisamt ein /

Gleicht Blumen / die zwar schön / doch aber stinckend seyn.

Erwäge bey dir selbst: Ob reines Oel kan glimmen

In Ampeln / die im Koth verdammter Laster schwimmen?

Ob eine Ader sey am Sultan liebens-werth;

Der wie ein Schein nur noch / von Unzucht abgezehrt /

Von Seuchen laß umb-irrt? Mein Leib sol Würmer hecken /

Die Brüste Molchen mehrn / eh ich mit ihm beflecken

Mir Seel und Glieder wil!

MEHEMET.

O Himmel-reine Glutt!

Der Himmel segne dich / und stärcke deinen Muth /

Der Helden abgewinnt / Tyrannen überwindet!

Wie aber? darf ein Hertz / das reinen Weyrauch zündet

In deinem Tempel an / sich trösten deiner Hold?[140]

AMBRE.

Der Einsamkeit hab ich von Kind-auf wohl gewolt /

Mein Alter ist auch zwar kaum fähig süsser Flammen;

Doch / wo sie sich vermähln mit Tugenden zusammen /

Wo sie fürm Sultan mich sind mächtig zu bewahrn /

So haben sie Gewalt mit Ambren zu gebahrn /

So steht mein Hertze dir / wie itzt mein Antlitz offen.86

MEHEMET.

Ich bin entzückt auß mir! darf ichs / mein Engel hoffen?

Dir an die Kehle fühln /87 dich Abgott bethen an?

So gläube: daß der Fürst dich nicht versehren kan /

So lange Mehemet nicht ist in Staub verkehret.

AMBRE.

Mein Kuß und Hertze sey dir für mein Heyl gewehret.88


Der Schau-Platz verwandelt sich ins Käysers Gemach.

Ibrahim. Sechierpera. Mufti. Achmet. Capachi-Bachi.


IBRAHIM.

Kein Schiff irrt furchtsamer in Klippen-reicher See /

Wenn Well und Sturmwind es bald tief / bald in die Höh

Wie einen Ball umbwirft; kein bebend Sclave zittert /

Wenn sich auf seine Schuld sein Halßherr hat erbittert /

In seinen Fesseln so; auch kein Verbrecher nicht /

Der / wenn der Richter Rach ihm seinen Halß abspricht /

Vom Todes-Angst erstarrt: als mein bestürtzt Gemütte

Von Furcht und Hofnung wallt: Ob unsre rechte Bitte

Bey Ambren was verfängt.

SECHIERPERA.

Was hat der Sorgens Noth /

Der / wo kein Liebreitz hilft / Verstockten durch Geboth

Die Liebe schaffen kan? Und was kan die versagen /

Die nebst Genieß der Lust mag grünen Sammet tragen?89

IBRAHIM.

Ach leider! Liebeszwang schafft Gallen-herbe Lust /

Flößt Wermuth auf den Mund / und Eckel in die Brust.

Das Saltz im Lieben ist verwechselte Begierde;

Vertauschte Gegenhold. Die Rosen schönster Zierde

Verliern den Purper-Glantz / ihr Bisam der verraucht /

Wenn Gramhaft Eckel sie mit kaltem Gift anhaucht;

Hartneckigkeit kan auch leicht eine Magd erheben:

Daß sie sich einen Korb dem Herren wagt zu geben.[141]

SECHIERPERA.

Zu dieser Thorheit ist des Mufti Kind zu zart.

IBRAHIM.

Auf Rebenstöcken wächst oft eine Schleen-Arth.

SECHIERPERA.

Die Anmuth sieht ihr selbst lebendig aus den Augen.

IBRAHIM.

Nicht iede Biene kan aus Krautern Honig saugen.

SECHIERPERA.

Was geht dem Ibrahim an Hold und Liebreitz ab?

IBRAHIM.

Wie? daß uns Sisigamb ein sauer Auge gab?

SECHIERPERA.

Die Augen Ambrens zihn selbst auf die Jagt nach Liebe.

IBRAHIM.

Der Himmel ist hier dem oft helle / jenem trübe.

SECHIERPERA.

Die Niedrigen ist feil / gibt Fürsten leichten Kauf.

CAPACHI.

Der Mufti kommt / und wil dem Käyser warten auf.

IBRAHIM.

Führ ihn herein. Ach! was wird er für Post uns bringen!

SECHIERPERA.

Wer Fürsten selbst bringt Post / sagt meist von gutten Dingen.

IBRAHIM.

Wird Ibrahim vergnügt durch deine Bottschaft seyn?

MUFTI.

Was uns der Morgen spart / bringt oft der Mittag ein.

IBRAHIM.

Was? wil dein Kind die Lieb auf fernes Ziel versparen?

MUFTI.

Die Einfalt räth ihr diß. Der Witz kommt nicht für Jahren.

IBRAHIM.

So schlägt sie ihres Herrn Genade gantz in Wind?

MUFTI.

Ich selbst betrauer es: daß sie so taub und blind.

IBRAHIM.

Du hast / verdammter Hund / sie selbst hierzu verhetzet.

MUFTI.

Ich sterbe / hat sie ihr den Kopf nicht aufgesetzet.

IBRAHIM.

Mit was entschuldigt sie so trotze Missethat?

MUFTI.

Mit dem: daß schon der Fürst fünf Söhne lebend hat.

IBRAHIM.

Was hat sie über die sich Ursach zu beschweren?

MUFTI.

Sie würde Kinder doch dem Tode nur gebehren.

IBRAHIM.

Diß Gift hat deine Zung ihr selbst geflößet ein.

MUFTI.

Wo diß verführlich ist / so mags halß-brüchig seyn.

IBRAHIM.

Wie / daß du dich nicht mühst den Wahn ihr zu benehmen?

MUFTI.

Ich muß des Mahumeds Gesätzen mich bequämen.

IBRAHIM.

Entdecke / mit was Er der Käyser Eh verwarf?

MUFTI.

Er setzte: daß sein Kind kein Vater zwingen darf.

IBRAHIM.

Verfluchter Bösewicht! stracks weich' uns vom Gesichte!

MUFTI.

Beschimpfung / Haß und Schmach sind meist des Hofes Früchte.

IBRAHIM.

Verteufelter / sags sol die Sebel lohnen dir?

ACHMET.

Der Sultan ziehe Gnad erholter Schärffe für.

IBRAHIM.

Du selbst solst heute noch uns seinen Schedel holen90.[142]

ACHMET.

Der Käyser selbst erweg: Obs rathsam / was befohlen.

IBRAHIM.

Die Schuld verdient: daß er zerstampt im Mörsel sey.91

ACHMET.

Die Staats-Beschaffenheit läßt oft Verbrecher frey.

IBRAHIM.

Was ists / daß uns die Hand hält / und in Schrancken sätzet?

ACHMET.

Weil Volck und Pöfel ihn für gar zu heilig schätzet.

IBRAHIM.

Noch heiliger sind wir der Muselmänner Haupt.

ACHMET.

Diß hat dem Mufti selbst den Obersitz erlaubt.92

IBRAHIM.

Sol unser Höffligkeit beschirmen sein Verbrechen?

ACHMET.

Man muß auf größre doch ein linder Urtheil sprechen.

IBRAHIM.

Die Würde größ't die Schuld / und schärft des Richters Schwerdt.

ACHMET.

Der herschet mit Vernunft / der nicht zu scharf verfährt.

IBRAHIM.

So sag ihm: daß er nicht sol unser Antlitz sehen.

ACHMET.

Was mir der Käyser schafft / sol Augenblicks geschehen.

IBRAHIM.

Ja. Aber was geschiht / was Oßman wünscht und schafft!

Dem Ost und West gehorcht / dem mangelt Stärck und Kraft /

Ein Vierzehn-jähricht Kind liebreitzend zu bezwingen!

SECHIERPERA.

Zu hohen Gipfeln muß man durch viel Müh sich schwingen/

Die güldnen Aepfel sind von Drachen meist bewacht!

Doch Fleiß / Gedult und Zeit hat stets zu wege bracht /

Den Lorber-reichen Krantz der Tugend aufzusetzen.

IBRAHIM.

Was mühstu dich mich noch mit Träumen zu ergetzen?

SECHIERPERA.

Wie viel ist noch verspielt? des gramen Vaters Wort.

Wo wahr ist / was er rühmt. Kein Demant wird durchbohrt

Durch Amboß-harte Schläg? Ein Tiger wird gezähmet

Durch Glimpf / mit Fässeln nicht. Und Liebe wird gesämet

Mit linden Säften ein. Vergönts der Käyser mir;

Trau ich mir kühnlich zu: die Liebes-Pillen ihr

Mit Farben schönsten Golds / nicht Frucht-loß einzuloben.

Im Liebes-Becher schwimmt das Oel des Eckels oben

Den Lippen / welche noch ihr Zucker nicht geschmeckt.

Was ist sie / als ein Kind / das noch in Schalen steckt?

Ein Baum / auf dem noch nie der Kitzel hat geblühet /

Die Anmuth reif gewest. Ich aber bin bemühet

Durch süsse Lehren ihr die Knospen aufzuthun /

Die Einfalts-Kälte schleust.

IBRAHIM.

Auf dir scheint zu beruhn[143]

Noch unsrer Seele Heil. Wirstu diß Kind besiegen;

Sol Ambre zwar des Nachts in unsern Armen liegen/

Mein Hertze Lebenslang dich aber schlüssen ein.

SECHIERPERA.

Ich wünsche so beglückt als mühsam hier zu seyn.


Der Schauplatz stellet für des Mufti Gemach.

Mufti. Ambre. Ein Mollah oder Vnter-Richter des Mufti.


MUFTI.

So gehts! so finster kan ein heller Tag sich schlüssen!

Wer sich aufs Glücke lehnt / der steht auf schwachen Füssen /

Das / wenn des Hochmuths Wahn baut Schlösser in die Luft /

Den Grundstein zum Verterb legt in des Abgrunds Kluft.

Diß ist das Eppich-Kraut / das den zu Bodem reisset /

Den es umbarmt und halßt. Der halbe Weltkreiß heisset

Mich heilig / klug / beglückt / und dieses alles kan

Nicht helffen: Daß mich nicht Gefahr und Noth stößt an.

Denn Heiligkeit wird meist ein Ziel der Boßheits-Pfeile /

Und kein fürsichtig Witz kan des Verhängnüß Keile;

Ja keine Würde nicht des Hofes Fallbred flihn.

Die Wiesen / die allhier voll Tulipanen blühn

Sind Irrwisch-reiche Sümpf und Dörnrichte Moräste.

Erst gestern stand das Rad noch meines Glückes feste;

Wahrsagen galt so viel als meine Rede nicht /

Des Sultans Richtschnur war mein Rath / mein Thun sein Licht.

Itzt werd ich so beschimpft / von Hofe weg gestoßen.

AMBRE.

Herr Vater / Ach! der Blitz / wenn Fürsten sich erboßen /

Ist tödlich und zermalmt. Wir stehen in Gefahr

Des Lebens / und daß sich der grimme Sultan gar

Was ärgers wider mich rachgierig darff entschlüßen;

Doch leider! sol auß mir das Kwell des Unglücks flüssen?

Sol Ambre Mörderin der holden Eltern seyn?

So tauche der Tyrann eh in die Adern ein

Die von Blutt fette Faust; und weihe Gott die Brüste /

Eh als der Blutthund sie zum Opfer seiner Lüste

Zu unserm Schimpf erkiest.

MUFTI.

Mein hertz-geliebtes Kind /[144]

Gott gründet Hafen oft / wo nahe Syrten sind.

Gedult heilt oft Gefahr / ja blosser Zufall machet:

Daß ein Verdammter oft noch Richt- und Henckers lachet.

AMBRE.

Ach leider! Elend wird reif / wenns kaum Knospen kriegt

Und Tugend siht sich stets von Boßheit überwigt.

MUFTI.

Getrost! die Tugend strahlt mit ihrem Sonnen-Lichte

Tyrannen mehrentheils so kräftig ins Gesichte:

Daß ihr von Rach und Grimm entflammtes Auge blind /

Das Antlitz schamroth wird / ihr Geist Vernunft gewinnt.

Zu dem so muß mein Hauß der Infel Würde schirmen /

Die sich kein Sultan leicht gewagt hat zu bestürmen;

Wohlwissende: daß wir der Unterthanen Zaum /

Der Fürsten Schutzbild sind.

AMBRE.

Es saget mir mein Traum

Mein bebend Hertze wahr; wie er auf ihn wird wütten;

Denn Rache pflegt den Feind mit Flammen zu beschütten /

Sol gleich ihr eigen Hauß gerathen in den Brand.

Und mir blüht Schimpf und Schmach. Wo ich des Vatern Hand

Nicht trostloß küssen sol / und seine Knie umbfangen /

Wo ein gehorsam Kind kan thränend was erlangen /

So trau / Herr Vater / er so trüben Wolcken nicht /

So rett er mich sein Kind / eh als der Blitz loß-bricht;

So laß er heute noch mich nach Medina flihen.

Gelübd und Andacht läßt sich leicht beym Sultan ziehen

Zu scheinbarm Vorwand an.

MUFTI.

Ich wil gleich mühsam seyn

Zu sorgen für dein –

MOLLAH.

Herr / der Groß-Vesier wil ein.

MUFTI.

Was bringt der? führ ihn her.

AMBRE.

Dir ach! den Tod / mir Ketten.

MUFTI.

Laß Hertzhaft und erfreut uns ihm entgegen tretten.


Achmet. Mufti. Ambre.


ACHMET.

Ich komme Freund / zu dir sorgfältig für dein Heil.

MUFTI.

Wer frembdes fördert / hat am Himmel schon ein Theil.

ACHMET.

Wer seines nicht verschmäht / muß gutten Rath nicht hassen.

MUFTI.

Der andern räthet / wird ihm selbst ja rathen lassen.

ACHMET.

Ein Mittel wäre noch für seine Wolfahrt dar.[145]

MUFTI.

Was ists/ das helffen sol/ und was ists für Gefahr?

ACHMET.

Die hat Fürst Ibrahim/ und jenes du in Händen.

MUFTI.

Eröfne: was er dreut/ und was die Noth kan wenden.

ACHMET.

Bestille seinen Zorn und liefer ihm dein Kind.

AMBRE.

Weiß Achmet/ was zu thun die Väter mächtig sind?

ACHMET.

Weiß Ambre Mahumets sein zweytes Grundgesetze?93

AMBRE.

Sey sicher: daß ich es für meine Richtschnur schätze.

ACHMET.

Wie daß aufs Vätern Heisch sie nicht den Sultan liebt?

AMBRE.

Weil mein Gelübde mir hier ein Verboth abgibt.

ACHMET.

Läßt durch Gelübde sich Gesetz und Folg aufheben?

MUFTI.

Gelübden dürffen nicht die Eltern widerstreben.

ACHMET.

Stärckt böse Kinder man mit solchen Lehren noch?

MUFTI.

Der Eltern Herrschaft hegt kein Sclaven-gleiches Joch.

ACHMET.

Ihr beyde solt alsbald den Eigen-Sinn bereuen.

AMBRE.

Wer nach der Tugend wallt/ läßt sich kein Donnern scheuen.

ACHMET.

Wer Blitz in Streit außtagt/ der wird in Staub gelegt.

MUFTI.

Oft wird der Keil zerschellt/ wenn er nach Felsen schlägt.

ACHMET.

Meint Mufti dreuende des Sultans Arm zu pochen?

MUFTI.

Auch der geduldig fällt/ wird oftermals gerochen.

ACHMET.

Wenn hohe Häupter falln so starrt des Pöfels Muth.

MUFTI.

Auß einer Hütt entspringt oft eine grosse Glutt.

ACHMET.

So sol und wil dein Kind nicht unsern Groß-Herrn lieben?

MUFTI.

Es ist ihr unverwehrt/ doch nichts nicht fürgeschrieben.

AMBRE.

Der Käyser heischt von mir vergebens Lieb und Luft.

ACHMET.

So wisse Mufti denn: daß du nicht/ bey Verlust

Des Kopffes/ iemals solst ins Sultans Antlitz kommen.

MUFTI.

So wird die Würde mir des Priesterthums genommen?

ACHMET.

Bescheide selber dich nach deiner Priester Rath.

MUFTI.

Ich eile neben dir diß/ was der Sultan hat

Für Urtheil mir gefällt/ umbständlich zu entdecken.

ACHMET.

Laß sie und die Vernunft dir bessern Rath erwecken.

AMBRE.

Wo zielt/ O Himmel/ noch so rauer Sturmwind hin?

Solt auch durch diesen Schlag des Sultans steinern Sinn[146]

Enthärtet worden sein? Ach nein! die schlaue Schlange

Weiß: daß ihr Gift die Kraft zu tödten erst empfange/

Wenn es durch schnellen Stich mit Blutte wird vermengt.94

Ein Panther/ der in Sur die Pilgramer ansprengt/

Raubt nicht den Mantel nur/ er setzet Zahn und Klauen

In Fleisch und Gliedern ein. So werd auch ich noch schauen:

Daß nach beraubter Würd auch unser kaltes Blutt

Sein Gift wird feuchten an/ und seines Eyfers Glut

Mit unsern Leichen kühln. Doch/ das Verhängnüß gebe:

Daß ich so sterben könn/ und nicht zur Schmach ihm lebe.

Der Tod ist kein Verluft/ wo Tugend/ Ehre/ Ruhm

Gewien des Lebens ist. Der Tod ists Eigenthumb

Und's Ende der Natur; nicht der Beseelten Straffe.

Ich lache dieser Wahn/ die sich für diesem Schlaffe

Wie für Gespenstern scheun/ nicht gläuben: daß der Tod

Der Leiber Schatten sey; Die unsre Sterbens-Noth

Gleich als vermeidlich flihn. Mich tröstet mein Gewissen:

Den Frommen lasse sich das Fenster nicht verschlüssen/95

GOtt auß dem Schatten auch des Grabes anzusehn.

Den Bösen könne nur im Sarge weh geschehn/

Ihr Leib zerquetschet seyn. Wer diese Weißheit fasset/

Siht/ wenn er durch den Pfeil des Himmels selbst erblasset/

Ein Wütterich auf ihn das Mörder-Eisen schleifft/

Wenn Felsen auf ihn falln/ der Abgrund nach ihm greift/

Tod/ Pein und Hencker an mit starrendem Gesichte.

Wohl! Ambre fühlestu/ mit was für reinem Lichte

Des Himmels Gültigkeit die zarte Seel erhellt?

Wer heilig lebt/ schmeckt schon den Himmel in der Welt.


Ambre. Sechierpera.


SECHIERPERA.

Ja! sie kan/ wenn sie wil/ das Paradiß hier schmecken.

AMBRE.

Hilf Gott!

SECHIERPERA.

Sie hat für mir nicht Uhrfach zu erschrecken.

AMBRE.

Wo kommt die Gnad uns her: daß sie diß Hauß sucht heim?

SECHIERPERA.

Die Biene suchet Klee und fleucht nach Honigseim.[147]

AMBRE.

Was ist für Süssigkeit bey mir für sie verborgen?

SECHIERPERA.

Man siht die Bienen auch für ihren König sorgen.

AMBRE.

Für wen / und was holt sie für Bienen-Zucker hier?

SECHIERPERA.

Für unsers Sultans Mund / der so sehr lächst nach ihr.

AMBRE.

Kein solch schlecht Mägdgen kan so einen Herrn ergetzen.

SECHIERPERA.

Es ist der Demuth Arth sich selbst verächtlich schätzen.

AMBRE.

Mein blödes Auge weiß von Liebes-Blicken nicht.

SECHIERPERA.

Wir: daß auß ihrer Nacht entzündend Blitz außbricht.

AMBRE.

Kein Scharlach blümt den Mund / kein Purper deckt die Wangen.

SECHIERPERA.

Wir sehns: daß beyde ja wie Morgen-Rosen prangen.

AMBRE.

Dem Athem fehlt Zibeth / die Brust ist Perlen-leer.

SECHIERPERA.

Hier brennt lebendig Schnee / dort quillet Bisam her.

AMBRE.

Was sol die / die der Fürst selbst nie gesehn hat / taugen?

SECHIERPERA.

Die Zung ists Hertzens Both / und Leiterin der Augen.

AMBRE.

Welch eine leitet denn des Sultans Aug auf mich?

SECHIERPERA.

Die dich itzt preißt / und sich hat längst verliebt in dich.96

AMBRE.

Du hast mich schöner ihm / als ich bin / fürgemahlet.

SECHIERPERA.

Von dir wird iede Farb und Lob-Red überstrahlet.

AMBRE.

Die Liebe weisser Haut ist ein bald fallend Stern.

SECHIERPERA.

In schönen Gliedern steckt ein schöner Seelen-Kern.97

AMBRE.

Wer nur den Augen glaubt / umbarmt oft todte Schatten.

SECHIERPERA.

Solln Pfau und Tauben denn sich mit den Eulen galten?

AMBRE.

Der Bien und Ameiß Fleiß sticht Pfauen-Federn weg.

SECHIERPERA.

Sie Ambre sucht in sich vergebens Narb und Fleck.

AMBRE.

Jedweder kennt an sich am meisten die Gebrechen.

SECHIERPERA.

Im Lieben darf nur der / der liebt / den Wahl-spruch sprechen.

AMBRE.

Man / spricht umbsonst für die / die gar nicht lieben kan.

SECHIERPERA.

Wie mag ihr Ambra wohl dich / Ambre / stincken an?

AMBRE.

Wer Tugend-Raute pflantzt / läßt andern Lust geblüme.

SECHIERPERA.

So glaubstu: daß sichs gar zu lieben nicht gezieme?

AMBRE.

Nicht Ambren / die sich längst verlobt der Keuschheit hat.

SECHIERPERA.

Wer gibt Einfältige / dir diesen albern Rath?

AMBRE.

Die Tugend hat in mir selbst dieses Ziel gestecket.

SECHIERPERA.

Ein Kind wirfft Zucker weg / das Zucker nie geschmecket.

AMBRE.

Diß Blumwerck decket Molch / und dieses Zucker Gift.[148]

SECHIERPERA.

Was ist hier giftiges; das die Verliebten trift?

AMBRE.

Der Seele Schönheit wird beflecket und verzehret.

SECHIERPERA.

Hat nicht die Lieb ein Weib in Morgenstern verkehret?98

AMBRE.

Ihr Buhle Maroth bißt in Bebils Pfule noch.

SECHIERPERA.

Kost einmal / süsses Kind / so süsse Speisen doch!

AMBRE.

Diß Gift ists tödlichste; das gar nicht bitter schmecket.

SECHIERPERA.

Glaubs: daß kein Stachel nicht im Wollust-Honig stecket.

AMBRE.

Die Geilheit frist sich selbst mit stetem Hunger ab.

SECHIERPERA.

Sey sicher: daß solch Durst selbst Nectar in sich hab?

AMBRE.

Ein keusches Hertz ist ihm selbst eine süsse Speise.

SECHIERPERA.

Du labst mit Eckel dich / und wärmest dich mit Eise.

AMBRE.

Dem schmecket Wermuth-Saltz / dem andern Fenchel wohl.

SECHIERPERA.

Du bist für Wahnwitz blind.

AMBRE.

Ich sehe was ich sol.

SECHIERPERA.

Du bist dir selber gram / und hassest / was dich liebet.

AMBRE.

Der liebt sich nicht / der sich der Brunst zum Sclaven gibet.

SECHIERPERA.

Sags / ob die / die beherrscht den Käyser / Sclavin sey?

AMBRE.

Die Sultaninnen gehn in güldnen Fesseln frey.

SECHIERPERA.

Solch güldne Kefichte sind Zierde / keine Banden.

AMBRE.

In meiner Freyheit ist unschätzbar Gold verbanden.

SECHIERPERA.

Des Sultans Liebe schenckt ihr eine Käyser-Kron.

AMBRE.

Mein Haupt prangt von Natur mit güldnen Kräntzen schon.

SECHIERPERA.

Der Ser' und Syre wird ihr Seid und Purper schicken.

AMBRE.

Genung! daß beyde schon Gestalt und Seele schmücken.

SECHIERPERA.

Der Sultan/ der sie liebt/ ist Seid- und Purper-schön.

AMBRE.

Der Schönheit Augenlust hegt Blumen / die vergehn.

SECHIERPERA.

Sie stehn im Frühlinge noch / und in frischen Blüthen.

AMBRE.

Ja! wenn auch Scham und Zucht auf solchen Rosen glüthen.

SECHIERPERA.

Was mißt dem Käyser sie für Liebes-Mängel bey?

AMBRE.

Diß: Daß sein heutig Schatz sein Greuel morgen sey.

SECHIERPERA.

Er wird dich biß in Tod als Liebes-Göttin ehren.99

AMBRE.

Der Wechsels ist gewohnt / wird auch bey mir aufhören.

SECHIERPERA.

Er bannet wegen dein sonst all auß seiner Gunst.

AMBRE.

Was saltzicht von Natur / versüsset keine Kunst.

SECHIERPERA.

Dein allzu scheler Trieb laufft wider das Gesetze.100

AMBRE.

Wer schilt? daß frembde Küß ich mir für Eckel schätze?

SECHIERPERA.

Der Fürst hat sattsam Oel zu deiner Ampel noch.[149]

AMBRE.

Einfältgen Kindern sind die Reden allzu hoch.

SECHIERPERA.

So Kindisch war auch ich. Itzt kan ich selber lehren.

AMBRE.

Ich wil was züchtigers in bessern Schulen hören.

SECHIERPERA.

Sol keine züchtig seyn / die Fürsten sich verspricht?

AMBRE.

Sie lieben Geilheit meist / die Fürsten selber nicht.

SECHIERPERA.

Dir eckelt für dem Safft / der's Paradiß ansüsset.101

AMBRE.

Ach! daß ihr ihn allhier nur unverfälschet liesset!

SECHIERPERA.

Was mischet Ibrahim für schlimmen Beysatz ein?

AMBRE.

Sind seine Flammen nicht unfruchtbar Sonnenschein?

SECHIERPERA.

Du wirst von dieser Sonn ein fruchtbar Monde werden.

AMBRE.

Solch Fruchtbar-seyn gebiert den Tod und viel Beschwerden.102

SECHIERPERA.

Siht eine Mutter nicht an ihren Kindern Lust?

AMBRE.

Die nicht dem Tode saugt ein Opfer an der Brust.103

SECHIERPERA.

Die in der Wiegen schon Gold / Sammet / Purper decket?

AMBRE.

Mit derer Blutte sich der Herrschende beflecket.104

SECHIERPERA.

Die Brüder üben mehr so raue Stattsucht nicht.

AMBRE.

Wie / daß denn Amurath die Kinder selbst ersticht?105106

SECHIERPERA.

Ließ er den Ibrahim als Bruder nicht beym Leben?

AMBRE.

Der muste / biß er starb / in finsterm Kercker schweben.

SECHIERPERA.

Der Bruder Achmet that dem Mustafa kein Leid.

AMBRE.

Des Blöden Wahnwitz war des Albern Sicherheit.

SECHIERPERA.

Eh er blödsinnig schien / schwur er ihm hold zu sterben.

AMBRE.

Doch den gezückten Pfeil solt einst sein Blut schon färben.

SECHIERPERA.

Vom Himmel ward der Schluß durch Zufall ihm verrückt.

AMBRE.

Er blieb / biß Achmet starb / ein Dervis und bestrückt.

SECHIERPERA.

Wie daß er dem / und nicht dem Oßman ließ die Krone?107

AMBRE.

Durchs Brudern Thorheit sucht er Ansehn seinem Sohne.

SECHIERPERA.

Ach! daß in Urtheiln man oft so sehr ferne geht!

AMBRE.

Wie lang ists / alß so fiel Orcan und Bajazeth?108

SECHIERPERA.

Wird diß für Bruder-Mord des Amuraths geachtet?

AMBRE.

Die Mutter hat sie ihm aufs Siegsfest abgeschlachtet.109

SECHIERPERA.

Du wirst als Sultanin der Kinder Schutz-Frau seyn.

AMBRE.

Die Ohnmacht schleust mich selbst unsichern Schrancken ein.

SECHIERPERA.

Den Sultaninnen muß der Fürst oft selbst nachgeben.110[150]

AMBRE.

Halff Amurath nicht einst wohl hunderten vom Leben?

SECHIERPERA.

Ist / wer im Staube liegt / vors Sultans Herrschafft frey?

AMBRE.

Der Blitz schlägt Zedern eh / als Myrtensträuch entzwey.

SECHIERPERA.

Auf dein verstocktes Hertz wird er bald Hagel schneyen.

AMBRE.

Geduld kan Flamm und Eiß / wie Strausse Stahl / verdeien.

SECHIERPERA.

Trotz gibt der Marter nach / Witz wehlt für Eisen Gold.

AMBRE.

Lacht' eine Sclavin nicht des Machmets Schwerd und Hold?

SECHIERPERA.

Man siht zu Negropont der Närrin Blut noch kleben.

AMBRE.

Ihr gut Gedächtnüß sich biß zu den Sternen heben.

SECHIERPERA.

Dein Wahnwitz wird verschmäht / dein Lohn ein Sebel seyn.

AMBRE.

Mein Engel / rede mir nicht mehr vergebens ein.

Ich kan / und wil / und sol den Ibrahim nicht lieben.

Wilst aber du / mein Licht / mit der Erbarmung üben /

Die dich verliebt umbhalßt / ja dir zu Fusse fällt /

Die dich fürs Sultans Hertz / und ihren Engel hält /

Wirstu / wie du vermagst / die schwermende Begierde

Dem Sultan reden auß / den Schatten meiner Zierde

Vernünfftig bilden für / so sol die milde Hand

Dir hier stets offen stehn. Nimm diesen Diamant

Itzt nur zum Zeichen an. Ja unsers Himmels Segen

Wird für solch heilig Werck dir ewig Heil zulegen!

SECHIERPERA.

Mein Kind / diß ist ein Wunsch kaum möglich zu vollziehn.

Wer sich des Sultans Brunst zu dämpfen wil bemühn /

Der geust ins Feuer Oel / Flutt auf entglühte Steine.

Doch / weil ich es mit dir so gut und hertzlich meyne /

Du meiner Seelen Trost / mein Augen-Apffel bist;

So wil ich / was mir nur Beredsamkeit und List

Wird rathen / mit Gefahr selbst meiner / für dich handeln.

AMBRE.

Vernunfft kan Stahl in Wachs / und Glut in Schnee verwandeln[151]


Reyen


Der Wollust. Der Begierde. Der Schönheit. Des Geitzes. Der Ehrsucht. Der Schande. Der Gewalt. Der Keuschheit. Der Mässigkeit. Der Vernunfft. Der Großmüthigkeit. Der Demuth. Der Hoffnung. Der Gedult.


DIE WOLLUST.

Kommt / krönet mich mit Palm- und Lorber-Kräntzen /

Ihr Heldinnen / ihr Werckzeug meiner Macht!

Nachdem ihr nun die Welt an allen Gräntzen

Mir unters Fahn / ja untern Fuß gebracht.

Wie weit der heiße Hundsstern schwärtzt die Mohren;

Der kalte Beer schnee-weisse Thiere bleicht /

Bin ich zur Seelen-Königin erkohren /

Für welcher man die Segel willig streicht.

So Pflug als Helm / so Kron als Infel müssen

Die Bahne pflastern meinen zarten Füssen.


Die Begierde. Die Schönheit. Die Schande. Der Geitz. Die Ehrsucht. Die Gewalt.


Kommt / Schwestern / kräntzt die Göttin aller Seelen!

Baut ihr zu Lieb ein ewiges Altar.

Die Molche schleppen Gold auß ihren Hölen /

Die Schnecke reicht die Purper-Muscheln dar;

Die Fische bringen Perlen und Corallen;

Der Sand der See zinßt Demant und Rubin;

Die Felsen opfern Berg-Blau und Chrystallen /

Die Wiesen geben Rosen und Jaßmin;

Ja / seit dem sie der Himmel schmecken lernen;

So neigt er ihr zum Krantze seine Sternen.[152]

DIE KEUSCHHEIT.

Ihr Tugenden / ihr himmlischen Gefehrten;

Seht ihr so viel der thörchten Circe nach?

Was stifftet sie mit ihren Zauber-Gerthen

Auff meine Schaar für neues Ungemach?

Wil sie ihr Haupt mit meiner Krone schmücken?

Eilt! brecht den Stab der Zauberin in Stücken!

DIE WOLLUST.

Was bildet ihr der albern Sclaven Götze /

Die Henckerin einfältger Seelen ein?

Dein Priester selbst fällt über dein Gesetze /

Und stößt den Fuß an deiner Taffeln Stein.

Wenns eine wagt auß meinen Dienerinnen /

Wird sie dir leicht den Siegs-Preiß abgewinnen.

DIE KEUSCHHEIT.

Kommt / rüstet euch / die ihr vom Ansehn Zwerge /

Doch Riesen seyd in Wercken / für mich auß!

Kommt / Schwestern / kommt und lehrt die stoltzen Berge:

Daß meist ihr Brut sey Maulwurf oder Mauß.

Lasst aller Welt durch euren Kampf beybringen:

Die Keuschheit sey unmöglich zu bezwingen.

DIE BEGIERDE.

Mein nackter Arm siegt ohne Wehr und Waffen

Der Keuschheit ab; und nimmt das Hertz ihr ein.

Mein Kitzel macht: das Witz und Geist entschlaffen /

Wenn sie schon mehr als Argos-äugicht seyn.

Mein Sieg ist mit der Welt in gleichem Alter.

Von Adam her stammt meines Stachels Trieb.

Was fleischlich ist / ist meiner Satzung Halter /

Die die Natur in Fleisch und Adern schrieb.

Wenn die sich nur durch sanften Kitzel regen /

Mustu den Krantz zur Wollust Füssen legen.[153]

DIE MÄSSIGKEIT.

Was die Natur mit ihrem Finger preget

Und schreibt auf die zwey Taffeln Fleisch und Blut;

Wenn Boßheit nur nicht giftig Holtz anleget /

Ist reiner Trieb / und ungefälschte Glut.

Wil auch gleichs Fleisch / durch lüsterne Begierde

Zu Brunst gereitzt / sich wider sie empörn /

Die Mutter ist und Göttin reinster Zierde;

So wird doch bald / wenn ich in meinen Röhrn

Dein Gift leit ab / den Zunder böser Brünste;

Der Wollust Glantz verkehrt in Rauch und Dünste.

DIE SCHÖNHEIT.

Wo Fleisch auß Schnee / Blut ist auß Eis gemachet /

Wo Maaße wiegt die Nahrung tropfen-weis'

Und der Natur ihr Reitz wird außgelachet;

Zerschmeltzt mein Strahl auch Zembla-gleiches Eis.

So bald mein Oel ins Auge wird getröpfet /

Fühlts Hertze; wie mein Schwefel brennen kan.

Wenns Alter auch schon Davids Saft abzöpfet;

Steckt Betsabe doch ihn im Wasser an.

Laß einen Blick nur auf mich Sonne schüssen /

So wird dein Schnee in Liebes-Oel zerflissen.

DIE VERNUNFT.

Die Keuschheit sieht für Asch und todten Zunder

Die Schönheit-Strahln durch diß mein Schauglaß an.

Wohlwissend: daß ein Außbund aller Wunder

Bald ein faul Aaß und madicht werden kan /

Daß Raupen an Granaten-Aepfeln kleben /

Daß tödtend Gift der Schönheit Mitgift sey.

Laß Phrynen buhln / zur Wollust Anlaß geben /

Xenocrates bleibt kalt und keusch und frey.

Ja Keuschheit siht mit Adler-scharffem Auge:

Daß euer Irrwisch nicht zum Leit-Stern tauge.[154]

DER GEITZ.

Zerschmeltzet nicht für diesen Anmuths-Blicken

Der Unlust Brand und Honig-leeres Wachs;

So wird mein Garn die schlaue doch berücken /

Zu dem mein Arm nimmt Seid und güldnen Flachs.

Laß Danaen in Fels' und Thürme schlüßen /

Den keuschen Leib mit Schlössern sperren zu /

Wenn Jupiter läßt güldne Regen flüßen /

Ist nichts / was sie ihm nicht zu Liebe thu.

Wie magstu nun in nackter Unlust leben?

Wer kan so viel Geharnschten widerstreben?

DIE GROSSMÜTHIGKEIT.

Magstu dich wohl / ohnmächtge Feindin wagen /

Der Keuschheit Fed' und Kampf zu bitten an?

Laß Ambren Schätz und güldne Berg antragen /

Schau / ob dein Reitz an ihr was fruchten kan.

Großmüthigkeit lacht derer / die ihr wollen

Mit Körner-leer- und tauben Hilfen streun.

Die Beeren / die die Vogel kirren sollen /

Die müssen voll / nicht leere Schalen seyn.

Drumb steck itzt ein die Waffen / die nur Pfeile

Vom Bleye und / und wächsne Donner-Keile.

DIE EHRSUCHT.

Wo Zierd und Gold sind gläsernes Gewehre /

Da brech ich durch mit Lantzen meiner Hand.

Mein Ziel-zweck steckt bey dem Gestirnten Beere /

Ich mache Perl und Diamant auß Sand.

Die Kronen sind mir Bohnen-gleiche Sachen /

Doch zünden sie erfrorne Seelen an.

Ich bin es / die gestirnte Jungfraun machen /

Auß Sclavinnen Princessen schaffen kan.

Der Werckzeug ist der Zunder süsser Flammen.

Wilstu nun nicht sie ehren / dich verdammen?[155]

DIE DEMUTH.

Laß / Göttin / mich den Seiden-Wurm vertilgen;

Der Seide zwar / doch nichts als Gräber spinnt /

Entferne dich von unser Göttin Lilgen!

Weil deine Kost nur Maul-Beer-Blätter sind.

Versuche nur an Ambren ihrem Kinde:

Ob ihr diß Gift / dein Bisam bringet ein;

Was sie für Lust am güldnen Pofist finde;

Ob Zepter ihr nicht faule Fauden seyn.

Ja wo man siht den Stern der Demuth stehen /

Muß Ehrensucht und Wollust untergehen.

DIE VERLEUMBDUNG.

Verspielt der Glimpf so holder Buhlerinnen /

So sol mein Blitz dir fahren durch den Sinn.

Dein Schnee sol bald befleckt seyn von den Spinnen /

Ja Kefer Koth schmiern an den Lilgen hin.

Verlasse dich nicht auf der Unschuld Schatten /

Die Kröte saugt auch auß Jasminen Jäscht.

Ich kan die Schmach mit reinster Tugend gatten /

Ja Ehr und Ruhm wird von mir außgelescht.

Hier hab ich schon den Pinsel dich zu schwärtzen;

Wo du mehr jagst die Wollust auß dem Hertzen.

DIE HOFFNUNG.

Ein keuscher Geist / ein Schwanen-rein Gewissen

Bleibt weiß / wenn ihn Verleumbdung gleich bespritzt.

Laß Mißgunst Pech / Neid Unflat auf sie gissen /

Die Keuschheit weiß durch Hofnung sich beschützt.

Ein Joseph jauchzt ins geilen Weibes Banden /

Susanna lacht des Ehbruchs Schandfleck auß.

Die Hofnung ist ein Pflaster für die Schanden;

Ja endlich fällt Verläumbdung gar in Grauß.

Was sol ihr nun graun für gemahlten Flecken?

Die Sternen glühn / wenn sie die Nacht wil decken.[156]

DIE GEWALT.

Wenn alle Pfeil' als stumpf zurücke prellen /

Kein Sturmwind ihr den Mastbaum brechen kan;

Sol meine Faust die stoltze Zeder fällen.

Ihr Hencker / setzt ihr glimme Zangen an!

Ja / daß sie sich nicht sterbend Jungfrau heisse /

So reisst / ihr Hencker/ sie zur Nothzucht hin /

Acciolin beflecket seine Weisse /111

Brich Ibrahim so auch der Ambre Sinn!

Was weiß dein Trotz für Blumen nun zu rühmen;

Wenn Mächtige dich mit Gewalt entblümen?

DIE GEDULT.

Der Hencker brennt der Keuschheit nur zu gutte.

Denn die Gedult verzuckert Gall und Gift.

Die Palmen blühn auß Erichs Tochter Blutte /

Wenn schon ihr Haupt des Machmets Sebel trift.

Ja Keuschheit siegt durch mich an Rost und Pfale /

Wird auch der Leib gleich mit Gewalt entehrt.

Wenn Keuschheit ist frey von dem Seelen-Mahle /

Hat Tyranney kein Haarbreit sie versehrt;

Der Blutthund zwar kan Ambrens Leib verderben;

Doch wird die Seel in Ambren Jungfrau sterben.


Die Mässigkeit. Die Vernunft. Die Großmüttigkeit. Die Demuth. Die Hofnung. Die Gedult.


Kommt / Schwestern / kräntzt die Göttin reiner Hertzen /

Die Stahl und Gold und Zauberey besigt.

Brennt / Menschen / ihr in allen Seelen Kertzen /

Bringt Palmen der / die Helden überwigt.

Ein Simson kan zwar über Riesen siegen /

Doch bindet ihn der Delila Betrug.

Wo Ehren-Pfeil' und güldne Kugeln fliegen /

Verspielt oft der / der eisern Kriegs-Volck schlug /

Die Keuschheit aber stürtzt durch unsre Hände

Fleisch / Schönheits-Reitz / Geitz / Ehrsucht / Schande / Brände.

Quelle:
Daniel Casper von Lohenstein: Türkische Trauerspiele. Stuttgart 1953, S. 136-157.
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