17. Auff den Anfang des 1621. Jahrs

[193] Wer dieses alte Jahr wil recht und wol vollenden

Und nach dem neuen sich zu guter Stunde wenden,

Der lege von sich weg der Eytelkeit Begier,

Die nicht hieher gehört, und lobe Gott mit mir.

Es schwinge, wer da wil, die sterblichen Gedancken

Hoch über seine Krafft; ich wil mit nichten wancken

In dieser grossen Fluth; wil preysen Eyffers voll

Den, dessen That kein Mensch ergründen kan noch sol.

Er hat auß lauter Nichts zum Ersten wollen machen

Durch seines Wortes Krafft den Ursprung aller Sachen,

Den Klumpen der Natur; in dieser schweren Last

Lag alles, was jetzt ist vermischet, eingefaßt.

Die Sonne fuhr noch nicht mit ihren schnellen Pferden,

Der Monde nam nicht ab, der schöne Bau der Erden

Hieng noch nicht in der Lufft, und das fischreiche Meer

Lieff noch mit seiner Fluth nicht um die Felder her.

Das Land stund unbewohnt, die See war nicht zu schiffen,

Der Lufft gebrach ihr Liecht, und alle Dinge schlieffen;

Es stritten wieder sich Naß, Trucken, Warm und Kalt,

Der ungemachte Klotz war öd' und ungestalt

Drauff kam der helle Schein, ließ nichts nit mehr verborgen

Auff Gottes Anbefehl; Er hat den klaren Morgen

Und Abend abgetheilt und Weiß von Schwartz getrennt,

Das Finsterniß die Nacht, das Liecht den Tag genennt.

Er hat rund um sich her das Wasser außgebreitet,

Den köstlichen Pallast des Himmels zubereitet,

Den Donner, Reiff und Schnee, der Wolcken blaues Zelt,

Ost, Norden, Süd und West in seinen Dienst bestellt.

Die strenge Fluth der See kam über einen Hauffen,

Durch seiner Stimme Plitz gezwungen, fort zulauffen

Auff ihrer Gräntzen Ziel. Das Schloß der Erden stund

Mit seiner starcken Hand geleget in den Grund.

Ein jeder that sein Amt; die Ströme müßten fliessen

An ihren Ufer her, die Bäche sich ergiessen,

Der frischen Brunnen Quell' entspringen unverhofft,

Mit lieblichem Geräusch' aus tieffster Felsen Klufft.

Die Thäler grüneten, das Erdreich stund umgeben

Mit Blumen, trug sein Obst, das Feld die süssen Reben

Und Oel und reiffes Korn und Kreuter mannigfalt:

Die Bäume schlugen auß, die Hügel wurden Wald.

Es wuchse gleichfals auch tieff in der Schoß der Erden

Das, welches halben wir zum meisten Feinde werden,[194]

Das Gold, der Berge Marck, Stahl, Silber, Kupffer, Bley,

Der köstlich Deamant und Steine mancherley.

Die Sonne satzte sich auff ihren güldnen Wagen,

Der Monde kam herfür, die Lufft fieng an zu tragen

Das schöne Firmament, die Sternen giengen auff

Ein jeglicher bekam seyn Ziel und rechten Lauff.

Das Meer ward auch besetzt, das Heer der Fische schwummen

In Wassern klein und groß, der Walfisch muste kommen

Und spielen auff der See, der Krebs kroch an das Land,

Der Hecht kam auff den Grund, die Muscheln in den Sand.

Der Vögel leichtes Volck hub emsig an zu nisten,

Zu singen in der Lufft und in den stillen Wüsten;

Ein jeder kam wohin und brauchte seiner Ruh,

Die Turteltaube nam den Weg zur Ulme zu.

Die Schwalbe war bemüht ihr artlichs Hauß zu bauen,

Der grüne Papegey sich selber zubeschauen,

Der Adler schwang sich hoch, die schöne Nachtigal

Ließ hören ihre Kunst durch Wald, Feld, Berg und Thal.

Es giengen Vieh und Wild vermischet ohne Scheuen,

Das Schaf trat bey den Wolff, die Gemse bey den Löwen:

Die Kuh lieff in das Graß, der Hirsch in seinem Wald,

Sie lebten allesamt bey vollem Auffenthalt,

Und diß auß Gottes Krafft. Noch ein Thier war zu machen,

Der Vogt, der Oberherr und Pfleger dieser Sachen,

Der Mensch; den schuff er auch sein rechtes Ebenbild,

Mit aller Herrligkeit volkommen und erfüllt.

Und da die andern Thier' ihr Antlitz nieder drehen,

Schuff er den Menschen recht, den Himmel anzusehen,

Zu schauen an den Ort, nach dem er trachten sol:

Er stund gerecht für Gott, war aller Weißheit voll.

O, welcher Mensch vermag den Menschen zu beschreiben

Und kan so überhoch die engen Sinnen treiben!

Komm du und leite mich, zu reden mit Bedacht,

O Seele der Natur, du hast ihn auch gemacht.

Du hast das schöne Werck mit deiner Hand geschlossen

Und künstlich auffgeführt, dich selbst darein gegossen;

Er ist durch deine Krafft auff freyen Fuß gestellt

Der weltberühmte Mann, ja selbst die kleine Welt,

Die doch der grossen gleicht. Denn was ist nicht darinnen,

Das in der grossen ist? das Häubt, das Schloß der Sinnen,

Steht hoch, daß der Verstandt von dannen recht und wol

Auff das, was unten ist, die Sorgen wenden sol,[195]

Die Glieder und den Leib bescheidentlich verwachen,

Die hitzige Begier zahm und gehorsam machen,

Den Zorn, den offtermals den Zaum zerbrechen wil,

Mit Macht zurücke ziehn, und fallen in sein Ziel.

Die Augen müssen auch weit in der Höhen stehen,

Sich fleißig umzusehn, dem Uebel zu entgehen

Das alle Stunden wacht und feyret niemals nicht;

Sie sind der Sinnen Bild, der Spiegel und das Licht,

Dabey die Liebe pflegt ihr Feuer anzuzünden,

Der Weg, durch den sie sich kan in das Hertze finden.

Sie werden durch den Wall der Stirnen zugedeckt,

Der Wangen schönes Feld liegt um sie her gestreckt.

So ist auch hoch die Zier der Nasen zu erheben,

Doch höher auch ihr Nutz; die stete Lufft zu leben

Geht bey ihr auß und ein. Negst dieser steht gesetzt

Der Mund, durch den der Mensch mit Speisen sich ergetzt,

Die Zähne hinder ihm; die Pforten von Corallen,

Die Lippen, sind geschickt selbst auff und zu zu fallen,

Der Zungen beyzustehn. Durch dich, du edler Mund,

Ward erstlich in der Welt die Art zu leben kund:

Du hast die Menschen erst gelehret Städte bauen,

So zuvorhin zerstreut in Wüsten und auff Auen

Herum gelauffen sind, und nur sich alß das Wild,

Mit Eicheln, wie man sagt, an Brodtes Stadt gefüllt

Sich auff den Bauch gelegt, getruncken auß den Flüssen.

Was nützlich ist von Gott und Erbarkeit zu wissen,

Hat der Poeten Volck mit dir erst kund gemacht

Und auch den Unterricht von Weißheit auffgebracht.

Das köstliche Gehör und Wunderwerck der Ohren

Nimt seine Bottschafft ein gleich zweyen schönen Thoren;

Auch ihm hat die Natur den hohen Ort gezeigt,

Dieweil der leichte Schall hinauffwärts allzeit steigt.

Die Hände sind bestellt zu treuen Schreiberinnen

Der Sachen, die man denckt, sie bilden ab die Sinnen,

Sie schaffen uns vor Neid' und arger Feindschafft Ruh,

Und tragen Vorrath auch den andern Gliedern zu.

Die Arme müssen uns mit ihrer Stärcke schützen,

Die Beine minder nicht alß steiffe Pfeiler stützen:

Die Füsse machen uns frey hin und wieder gehn:

Auff diesem Grunde pflegt der gantze Bau zu stehn.

Wil ich dann innerlich das schöne Werck beschauen,

Wie hat doch Gott allda so herrlich wollen bauen;[196]

Dem heissen Magen sind zwo Thüren auffgethan,

Die führt die Nahrung aus, und jene nimt sie an.

Dann ist die Leber ihm gleich an der rechten Seiten,

Die das Geblüte pflegt zu kochen und zu leiten

Den andern Gliedern zu, in ihr steht einverleibt

Die Galle, so den Koth und Schleim von dannen treibt.

Zur Lincken ist der Miltz, zu dem das Blut muß schiessen,

Das noch nicht sauber ist. Er pflegt den Leib zu schliessen

Dem, welcher sich ergibt in gar zu vieles Leid;

Die Nieren nehmen weg die grosse Feuchtigkeit.

Das Hertze hanget frey, muß in der Mitten schweben,

Der Seelen werther Sitz, der Schlüssel zu dem Leben,

Der Ursprung, so zur Lust der Menschen Geist erregt,

Das Hauß, das Gottes Geist selbst zu bewohnen pflegt.

Die weiche Lunge weiß die Rede zu versehen,

Zu kühlen die Natur und Lufft ihr zuzuwehen;

Gleich wie der zarte West erfrischt das dürre Feld

Und vor der grossen Brunst der Sonne frey behelt.

Der Sinnen Hauß, das Hirn, die Werckstatt der Gedancken,

Ist zweyfach eingehült, so das es nicht bald wancken

Noch Schaden nehmen kan. Hier muß ich stille stehn

Und sagen, mein Verstand der mag nicht höher gehn.

Galenus und sein Volck die sollen weiter schreiben;

Das ist ihr Thun und Amt. Ich wil es lassen bleiben,

Biß ich der Sterbligkeit in künfftig abgethan,

Den Meister und das Werck zu gleiche schauen kan.

Diß ist das schöne Hauß. Das Leben nun darinnen,

Wie göttlich ist es doch; der mangelt seiner Sinnen

Der seine Sinnen nicht bestürtzt in sich beschaut,

Die Seele die Gott selbst dem Cörper anvertraut:

Der Geist von seinem Geist', aus ihm in uns gegossen,

Voll Himlischer Natur, im Leibe nicht beschlossen,

Der über Erd' und Lufft den Weg zum Himmel nimt

Und ausser alle dem, was untergehn muß, kömt.

O edles Wunderthier, zur Weißheit außerkohren,

Voll Geist, voll Lufft, voll Gott, vom Himmel selbst geboren,

Du Herr, du Ebenbild und Außzug dieser Welt,

Der unter sich den Lauff der hohen Sonnen stelt;

Du weise Creatur, du hast alßbald erkennet

Geflügel, Fisch' und Wild, ein jedes recht genennet.

Ach hettestu doch nicht so gröblich dich befleckt

Und in der Sünden Wüst die hohe Zier versteckt;[197]

Nun hastu, da du jetzt in diesem schnöden Leben

Mit deines Leibes Last und Kercker gehst umgeben,

So feurigen Verstand, wie wird dein heller Schein

Nach dieser Zeit so hoch, so gantz vollkömlich seyn?

Auff daß auch Adam nicht, beraubt der süssen Liebe,

Das niemand gut kan seyn, in Einsamkeit verbliebe,

Kömt Gott, indem er schläfft, erbricht ihm seinen Leib,

Nimt eine Rippen weg und schafft das schöne Weib.

So, wann ein guter Artzt biß in das Fleisch wil schneiden,

Schläfft er den Krancken ein und nimt alßdann bescheiden

Das Eisen zu der Hand, indem er liegt in Ruh,

Und streicht auch unvermerckt den Schaden wieder zu.

Nachdem der Vater nun beginnet auffzuwachen,

Und siht das freundlich Sehn, das angenehme Lachen,

Der weissen Glieder Schnee, o, spricht er, meine Zier,

Ich kenne dich, mein Theil, o Bein und Fleisch von mir,

O du mein ander Ich, o Seele meinem Leben,

O meine Seele selbst, mein Trost, mir zugegeben,

Komm, Schwester, liebe Braut, umfange deinen Mann,

Ich nehme dich, mein Lieb, zu allen Fällen an.

So gieng das neue Par mit solchen hohen Gaben,

Mit solcher Herrligkeit, vollkommen und erhaben

Vor aller Creatur. Ach hette doch nur nicht

Der Fall so gantz verkehrt der grossen Weißheit Liecht;

Das Weib ward durch Betrug der Schlangen eingenommen,

Und Adam durch das Weib; sie wolten höher kommen,

Verloren aber so, durch Essen von der Frucht,

Das, was sie vor gehabt und was sie jetzt gesucht.

Das immer grüne Feld in Eden ward verschlossen,

Die Quelle, so mit Milch und Honig erstlich flossen,

Die worden zugestopfft, sie stunden gantz verzagt,

Arm, nackend und bestürtzt, und worden außgejagt.

Dann sahen sie den Grimm des Herren sich entzünden,

Dann wurden sie gewar der tieffen See der Sünden,

In welche sie gestürtzt; dann fing das Elend an,

Dem alle Menschen noch biß jetzt sind unterthan.

Dann ward die Sterbligkeit durch uns in uns erreget,

Der rechte Seelentodt, die Laster, erst geheget;

Der Sinnen Finsterniß verderbte den Verstand,

Die Lust, nicht recht zu thun, ward gegen Gott gewand.

Noch ließ er doch uns nicht. Dann, als des Zornes Flammen,

Gesetze, Tod und Hell' uns kamen zu verdammen,[198]

Und solte nur ergehn das Urtheil nach Gebühr,

Schlug seine Güte doch des Weibes Samen für;

Das Lam, von Anbegin der Welt für uns geschlachtet,

Das aller Vätter Schar vor langer Zeit betrachtet,

Dem Noa sich vertraut, umringt mit See und Lufft,

Auff welches Abraham und Isaac gehofft,

Mit welchem Jacob auch, der streitbar Held, gerungen,

Das Josephen bewart, das Pharao bezwungen

Und in das Meer versenckt, das kräfftig Tag und Nacht

Die Kinder Israel beschirmet und bewacht.

Dem Moses seine Stimm' erhoben hat zu Ehren,

Da er den Himmel ihm begehret zuzuhören

Und selbst den Erdenkraiß zu seinen Zeugen nimt,

Dem Debora ihr Lied so geistreich angestimmt,

Das Josua beschützt, das Samson helffen streiten,

Von welchem David schon gespielet auff den Seiten,

Und sämtlich Jung und Alt ohn' allen Unterscheid

Mit hertzlicher Begier vorhin gepropheceyt,

Biß daß er endlich kam, das Heyl von Gott gegeben:

Dem sol ein jederman die Stimme nun erheben

Und ernstlich danckbar seyn mit aller Engel Schaar:

So lest man recht das alt', und nimt das neue Jahr.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 193-199.
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