9.

[48] Wann des Gottes letzter, milder

Schimmer sich vom See verlor,

Steigen mir Gedächtnisbilder

Aus der Welle Nacht empor:


Malen mir des Kahnes Schwanken

Den gefurchten Pfad entlang,

Als die Morgenlüfte tranken

Zauberischen Liederklang.


Malen mir, von Berges Kuppe

Schweifend, den ergötzten Sinn,

Und die ländlichschöne Gruppe

Um den Herd der Sennerin.
[48]

Malen mir die Felsgehege,

Wo die Alpenrose hangt,

Welche nicht durch Menschenpflege

In des Tales Gärten prangt.


Nächtlich fühl ich jetzt ein Bangen,

Wann der See gehoben wallt;

Jene Tage sind vergangen,

Jene Stimmen sind verhallt.


Frostige Nebel steigen, welche

Berg und Kuppe trüb umziehn,

Und die roten Alpenkelche

Werden mit dem Sommer fliehn.


Bald, verjagt von Sturm und Flocken,

Zieht die Hirtin froh ins Tal,

Und es tönt der Hall der Glocken

Von der Höh zum letzten Mal.


Quelle:
August Graf von Platen: Werke in zwei Bänden. Band 1: Lyrik. München 1982, S. 48-49.
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