Auff hn: Heinrich Nansen vnd jungfraw Gerdrut Simons hochzeit:

[90] Andre mögen disputieren/

Andre mögen embsig seyn/

Wo der süssen liebe pein

Herrühr'/ artig auß zu spüren/

Andre mögen schönheit preisen/

Andre guter sitten zier/

Andre mögen/ da vnd hier

Süsser holdschafft ursprung weisen.

Mir hat erst der Venus-knabe

Guten vnterricht ertheilt/

Wo das/ das durch wunden heilt/

Seinen rechten vrsprung habe.

Solches besser zuverstehen

Muss man vor/ ohn' argen schein/

Dessen vnterrichtet seyn/

Was vns menschen sey geschehen.

Anfangs war der mensch an gaben

Vnd von leib' ein starckes thier/

Hatte dess fast alles vier/

Was wir jtzt nur zweymal haben.

Jeder mensche/ wil man sagen/

War erst beyderley geschlechts/

Zweymal linck vnd zweymal rechts/

Wuste nicht von liebe plagen:

Jeder hatte zwey paar beine/

Zwey paar arm' ohn' allen schertz/

Zweene köpff' vnd nur ein hertz'

Jeder war sein lieb alleine.

Solche waren auch die riesen/

Darumb waren sie so starck/

Stoltz vnd frevel/ frech vnd arg/

Wie sie es denn wol bewiesen.[90]

Denn/ wer hat nur nicht gelesen

Von der riesen vber-muth/

Wie das frech' vnd stoltze blut

Himmel-stürmisch sey gewesen.

Wie sie berge/ stein' vnd klüfte/

Trotzend' auff die leibes-macht/

Die sie hatten vnbedacht

Abgeschossen durch die lüffte.

Wie auch ließ/ dem zu begegnen

Der berühmte Donner-gott

(Den sie hielten für ein spott)

Auff sie blitz vnd donner regnen.

Also wurden sie gespalten

Durch des Jovis donnerkeul/

Der damals/ in schwinder eil/

Wieder sie das feld behalten.

Von der zeit an wie wir wissen/

Muss der mensch/ nicht ohne pein/

Von jhm selbst getrennet seyn/

Als ein thier mit zweyen füssen

Von der zeit an muss er fühlen/

(Welchs jhm vormals vnbekant)

Venus fewr vnd Amors brand

Vngelescht vnd ohne kühlen.

Bis er endlich wiederfindet

Sein verlornes andertheil/

Welches jhn denn machet heil

Wenn er sich mit jhm verbindet.

Von der zeit an/ sucht von hertzen

Jederman sein hertzen-theil

Welchs jhm Jovis donner-keul

Abgedrungen hat mit schmertzen.

Dieses suchen heisst man lieben/

Dieses suchen ist das fewr/

Damit Venus-abentewr

Vns so sehre kan betrüben.

Hieraus habet jhr vernommen

Wo der kalte liebe-brandt

(Manchen/ mehr als gut/ bekant)

Sey zum ersten hergekommen.

Drumb/ gesellen/ lasst ewr bochen/

Wieder den/ den niemand bocht/

Der die riesen hat vermocht/

Vnd sich hat an jhn gerochen.

Daß er euch nicht vnversehen

Spalte noch einmahl entzwey

Vnd jhr nachmals ohne schew

Müsst auff einem beine gehen.

Denckt viel mehr/ vnd das noch heute/

Was euch mangle noch zur zeit/

Was euch schad'/ vnd daß jhr seyd

Recht-betrübte halbe leute.

Sucht darumb/ was euch erfrewt/

Ewre helft'/ ewr einig all/

Ewr halb hertz'/ ewr allzumahl/

Das euch gantz macht vnd ernewet.

Dessen wird euch recht vnd eben

Dismal vnser bräutigam

Vnd sein süsser traubenstamm

Löblich ein exempel geben:

Sie seind heut in diesem orden/

(Der von Gott selbst ist gestifft

Vnd nicht wenig vbertrifft

Andre stände) gantz geworden/

Den ich auch von gantzen hertzen

Wünsche/ was sie gantz erhält/

Vnd jhn beiden wolgefällt/

Nemlich/ stete liebe-kertzen.

Auch hieneben Gottes segen/

Reichen friede/ frewd vnd ruh/

Letzlich aber noch dazu

Manchen fruchtbarn Venus-regen.

Quelle:
Deutsche Literatur, Reihe Barock, Erg.-Bd., Leipzig 1939, S. 90-91.
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