Rübezahl verstellet sich in eine Adeliche Dame /und Bauernkerl.

[4] Es soll / nicht vor langer Zeit / geschehen seyn / daß ein vornehmer Juncker über das Riesengebürge geritten / und nunmehr seinen Weg fast verrichtet[4] gehabt /und biß auff einen wenigen Rest schier über das Gebürge hinüber gewesen / da er endlich / weil es sich zum Abend angelassen / in eine Schencke oder Wirtshauß / so von dannen eine Viertelmeile entfernet gewesen / einzukehren gesonnen gewesen. Aber was geschicht? Wie er auff die bevorstehende Herberge gedencket / und seines Weges immer fort reitet / da siehet er nicht gar weit vor sich hingehen eine Adeliche schön bekleidete Dame / welche an der lincken Seiten einen Bauersmann bey sich gehabt. Auff solches Paar verstellete Leute (denn Rübezahl ist drunter verdecket gewesen) siehet der gedachte Juncker ohn unterlaß /wendet die Augen / theils wegen der vermeinten Schönheit / theils wegen das bedünckende ungleiches spatzierende Paar / nicht davon / und reitet ihnen immer nach / immittelst hoffende / sie und er seyn auff einem und zwar dem rechten Wege / und werden bald in eine Herberge zusammen kommen. Wie[5] solche Einbildung ein ziemliches gewäret hatte / und der Abend ie mehr und mehr heran getreten war / und die ser Edelmann dennoch das paar Bockes nicht hatte abreiten können / wie geschwinde er sich gezauet: Siehe / da geschiehet es / dz die Adel-Jungfer mit dem Bauerskerl gleichsam hinter ein Gebüsche kommet /und alda verschwindet: In dem aber schauet der forttrabende Edelmann für sich nieder / und wird gewahr / daß er nunmehr auff eine hohe Klippe verführet gewesen; Davon er gleich für sich hinunter fast biß auff den Abgrund gesehen / auch so tieff / als solcher gewesen ist / hinunter gestürtzet wäre / so fern er nur noch ein wenig fortgeritten solte seyn. Nach dieser Begebnüsse / ist er erstlich fast inne geworden / daß er betrogen gewesen / und aus bethöreter Unvorsichtigkeit von dem Rübezahl in Abwege verleitet worden. Da er dann mit grosser Noth und andere besorgte. Gefahr zu thun gehabt / daß er endlich wiederumb[6] auff den rechten Weg gerathen / und nach langer Zeit erstlich in die gewüntschte Herberge kommen ist. Hieraus erlernet man fürsichtiger zuhandeln / indem man nicht sowol darnach sehen sol / was da fleucht /sondern vielmehr das da kreucht. Item der Juncker hätte vielmehr auff seinen Damm / als auff die Dame lauern sollen. Es heist zwar An nescis, oculi sunt in amore duces. Aber hier hätt es heissen sollen in errore, wiewol es nicht absqve errore und scandalö prosodaicô scandiren läst. Kürtzlich / wie dieser Juncker mit seinen erstarrenden Augen das erschienene Weibesstück zu sehr verfolget hat / da ist er wiederumb von den bösen Geiste verfolget worden: Weil er nemlich nicht auf seinen Wege allerdings gewesen ist / da ihn die Engel auff GOttes Befehl hätten behüten sollen. Hätte er durch sein fleissiges Morgen-Gebet den Schirm des Höchsten begehret: So würde es mit ihm geheissen haben nachdem[7] 91. Psalm / v. 7. Ob tausen fallen zu deiner Seiten / und zehen tausend zu deiner Rechten / so wird es dich doch nicht treffen; Ja du wirst mit deinen Augen deine Lust sehen / und schauen / wie es den Gottlosen vergolten wird. Denn der HErr ist deine Zuversicht / der Höchste ist deine Zuflucht. Es wird dir kein übels begegnen / und keine Plage wird zu deiner Hütten sich nahen. Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir / daß sie dich behüten aüff allen deinen Wegen: Daß sie dich auff den Händen tragen- und du deinen Fuß nicht an einen Stein stössest.

Höret / dieses ist ein richtiger Wegzeiger / und ein gewisser Reise-Compaß / nicht allein auff allen Strassen / sondern fürnehmlich / wegen des stätigen Ungethümes / auch auff dem Riesengebürge / wieder die Hinterlistigkeit des Rübezahls. Doch gnug.

Quelle:
Praetorius, Johannes: Des Rübezahls Anderen, und ganz frischer historischer Theil. Leipzig, Arnstadt 1671, S. 4-8.
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