An meinen kranken Freund Leon

[34] Wien im May 1778.


Ich bin gesund: wie steht's mit dir, mein Lieber?

Ist's wirklich Ernst, dass dich ein böses Fieber

Drey Tage schon nicht aus dem Bette lässt?

Ey, Freund! das ist ein arger Hausarrest.

Und wär's nur noch in trüben Wintertagen,

Da liesse sich's viel leichter übertragen:

Allein im Lenz, im anmuthvollen Lenz

Ist allerdings ein solches Akcidenz

Ein Streich, bey dem selbst Epiktet, die Zierde

Der Stoiker, ein Bisschen fluchen würde.


Du dauerst mich, o armer Pazient!

Indessen wir, das blaue Firmament

Ob unserm Haupt, im grünen Prater sitzen,

Musst du daheim im warmen Pfühle schwitzen.[35]

Statt deines Kleists und Bürgers liegt ein Wisch

Von Recipe auf einem Nebentisch:

Statt Lottens sitzt, mit einer Staatsperücke

Belastet, dir der Arzt auf dem Genicke:

Statt eines Tranks von frischem Haberbier

Bedient man dich mit einem Elixir.


Ihr Götter, helft! Zevs, Juno, Athenäa,

Apoll, Merkur, Mars, Bachus, Cytherea,

Und wie ihr bass nach Rang und Dignität

In Griechenlands und Roms Legenden steht,

Helft meinem Freund; sonst traun! bey meiner Ehre!

Sonst schimpf' ich laut auf eurer Priester Lehre,

Und falle stracks dem Bardenglauben bey.


Doch Scherz und Ernst! nimm fleissig Arzeney,

Und halt Diät; denn sieh da! zum geringsten

Erwart' ich dich, mein Trauter, diese Pfingsten.

O komm gewiss! Erdbeeren harren dein,

Dick angeschwellt mit Bisambergerwein.

Quelle:
Joseph Franz Ratschky: Gedichte, Wien 1791, S. 34-36.
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