Hertzliches Bittlied zu Gott

[261] Umb rechtschaffene, wahre Buhsse und Bekehrung.


1.

Herr, warümb lässest du Mich gehn

Den Irrweg, daß Ich nicht kan sehn

Der Sünden Last und Schmertzen?

Warümb bin Ich

So Jämmerlich

Verstok't in Meinem Hertzen?


2.

Ach kehre Dich doch wieder her,

Die Missethat ist hefftig schwehr,

Sey gnädig Deinen Knechten.

Es tritt doch hier

Kein Mensch herfür,

Mit dir, O Herr, zu rechten.


3.

O frommer Gott, verwirff uns nicht

Im Zorn von deinem Angesicht',

Erleucht' uns das Gemühte,

Das in der That

Verachtet hat

Den Reichthumb deiner Gühte.


4.

Bei Deiner Langmuht und Gedult

Lass' uns erkennen unsre Schuld,

Heil' unser Hertz und Augen,

Die so geschwind

Gewichen sind

Von Dir und gar nichts taugen.


5.

Nim uns das steinern Hertz doch ab,

Regier uns sanfft durch deinem Stab',

Auff daß wir Christlich leben

Und tragen Scheü,

Doch stets dabei

Nach deinem Reiche streben.
[262]

6.

Herr, such' auch Mich verlohrnes Schaff,

Das Ich der Welt verdienten Straff'

Und deinem Zorn entrinne;

Bekehre Mich,

Auff daß ich Dich

Von Hertzen lieb gewinne.


7.

Wen Du Mich bringest nur zu Dir,

So kan Ich wiedrümb nach Gebühr

Auch Meine Sünd' erkennen

Und, wie man sol,

Dir trauen wol,

Ja Hertzen-Vater nennen.


8.

Nim Deinen Geist von mir nicht weg,

Laß wandlen Mich den rechten Steg

Und folgen deiner Stimme,

Das Glaub' und Treü

Samt Lieb' auffs neü

In Meiner Seelen glimme.


9.

Ach Herr, laß Mich Barmhertzigkeit

In dieser hochbetrübten Zeit

Von deiner Hand empfangen:

Durch deinen Sohn

Laß Mich die Krohn'

Des Gnadenreichs erlangen!


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 261-263.
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